Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

‚inneren Werte‘ des Menschen andrerseits. Beidesgehört

zur Bildung! —- In Deutschland, England und Amerika —

(darauf machte schon Nietzsche aufmerksam) — kann man oft argwöhnen, daß eine bloß äußerliche Civilisation, ein Mangel an guten natürlichen Formen oder das Nichtübereinstimmen der Antriebe und Leidenschaften mit den sachlichen Lebens-

- gesetzen dadurch verdeckt und bemäntelt wird, daß man eben.

‚die Kultur‘ in Pacht nimmt; worunter man dann verstanden wissen will ‚etwas rein Innerliches‘, ‚den deutschen Idealismus‘, ‚das germanische Gemüt‘, Fichtes ‚Sittliches Bewußtsein‘ oder Schillers ‚Schöne Seele‘, welches alles freilich so tief innerlich sitzt, daß man äußerlich davon nicht das mindeste bemerkt. Solche ‚Biedermännerei mit Vorteil‘ ist zumal in England verbreitet. Man schimpit über bloße Technik, Wissenschaft, Intellektualismus, Rationalismus, Utilitarismus, zeigt auch gelegentlich, daß man verachte reine Straßen, reine Kleider und reine Hände und überhebt sich den Forderungen der edlen, maßhaltenden Selbstbeschränkung täglicher Zucht; dafür aber zieht man sich stolz zurück in die köstlichen Bergtäler und mystischen Abgründe seines ‚tiefen Innern‘. —

Es bedarf keiner Worte, daß diese Unterscheidungen uns nicht das mindeste angehn. Wir wissen zu wohl, daß der Mensch, ausnahmslos, wenn er seine ‚Civilisation‘ preisgäbe, eben damit auch das weitaus Adeligste und Beste aller Kultur preisgeben müßte. Es ist gar nicht möglich, reine Gedanken zu haben in unreinen Kleidern, reine Grundsätze zu befolgen mit unreinen Händen. Wohl aber dürfen wir, um die Lebensund Bildungshöhe einer Volkheit zu bemessen, einmal die iolgende Frage stellen: Wie viele Werte gedeihen zweckfrei? Zweckirei in dem Sinn, wie die Schönheit eines einsamen Liedes in der Nacht. Zweckirei wie ein Gebet oder ein Kuß; wie der Duit einer im Abgrund ungesehen blühenden Blume; — geschlossen und seelig in sich selbst. Fragen wir so, dann bemerken wir, daß im gegenwärtigem Abendland wenig Schönheit unvernutzt bleibt, daß nur wenige Stätten geschützt sind vor der vollständigen Verzwecklichung alles Lebens, ja, daß die unvernutzte zwecklose Bildung nur lebendig bleiben k ann bei den ‚Stillen im Lande‘: in weltfernen Klöstern, Sekten oder Orden, vielleicht auch in bisher noch unerprobten Formen der Gemeinschaft und Siedelung. —

_ und Spanien machen sichtbar: einen Gegensatz deräußeren Formen, der Wirtschaft und Gebrauchsgüter einerseits und der