Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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Wo der Piau als heiliges Tier gilt, wie in Raputana, ist er so iurchtlos wie die Hühner bei uns auf dem Hofe und läßt sich mit den Händen greifen, aber in den Gegenden, wo er verfolgt wird, ist kein anderer Vogel so schwer aufzuspüren. Es gibt Schlangenbändiger, welche mit den gefährlichsten Riesenschlangen zusammenhausen und mit ihnen scherzen, ohne je ihren Giftzahn fürchten zu müssen. Man fürchtet in manchen Gegenden den wilden Tiger weniger als man bei uns einen Marder oder rauschigen Eber fürchten muß.

In den alten Rechtsbüchern Indiens, den klassischen nicht minder als den buddhistischen, besteht das Gebot des ahimsa, * d. h. der Schonung des Lebens jeder Kreatur. Jeder von den 420 Millionen Buddhisten betet täglich das Mettasutta im Suttanipata, der Erde schönstes Gebet: ‚Mögen heute alle Wesen schmerzirei sein.

Alle Hindu aber, die Anbeter des brähma, etwa 220 Millionen, sprechen vor jedem lebendem Geschöpfe, Pflanze oder Tier die Mahavakya (das große Wort) tat twam asi, ‚Dies bist Du‘, oder brähmo smi, ‚Ich bin dies Alles.‘ — Keiner tötet, keiner verzehrt ein Tier. In einigen Sekten, insbesondere in der zwei Millionen zählenden Jainareligion, wird das ahimsa bis zur scheinbaren Widersinnigkeit innegehalten. Der Jaina sebraucht kein Licht, weil Mücken hineinfliegen Könnten. Zündet kein Feuer an, um nicht Insekten zu töten. Bevor er Wasser kocht, muß er die Mücken seigen, um ihr Leben zu retten. Er trägt einen Schleier, um das Einatmen von Insekten zu verhindern. Er scheert nicht sein Haar, sondern reißt die Haare mit der Wurzel aus, um keine Laus.zu töten. Er verrichtet keinerlei Arbeit, bei welcher scharfe lebengefährdende Werkzeuge gebraucht werden, zeigt sich daher auch unbrauchbar zur rationellen Landwirtschaft. Der jainistische König Komarpal von Anhilvara verlor Tron und Leben, weil er seine Regimenter nicht bei Regen marschieren ließ, denn durch Wasser zu gehn ist dem Jaina untersagt; er soll jede Stelle, auf die er tritt, mit einem weichen Besen fiegen. Die Jaina haben die riesigsten Tierspitäler der Erde; eines dieser Spittel pflegt noch heute in dem von Hungersnöten heimgesuchten Indien 5000 Ratten auf Kosten der Stadt.

Neben diese Tatsachen stelle man nun das folgende Bild. In dem Reisetagebuche eines österreichischen Erzherzogs wird ein Jagdausflug in die Urwälder Indiens, im Jahre 1913 geschildert. Die Herren in europäischen Sportanzügen, mit