Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
V. Stille Zeiten. 127
König Ludwig Philipp zitterte vor der Möglichkeit eines Krieges, denn eine unglü>liche Schlacht konnte leicht ſeiner Herrſchaft ein Ende bereiten. Er gedachte nicht ſoweit zu gehen wie Thiers und ließ deshalb den eifervollen, unbequemen Miniſterpräſidenten fallen. Guizot, der ſhon früher zur Mäßigung ermahnt hatte, übernahm die Leitung der diplomatiſchen Geſchäfte, und in Paris begann eine friedfertigere Stimmung Plat zu. greifen. Da brachte Mehmed-Ali ſelbſt die Erlöſung von den großen Sorgen. Der früher ſo kraftvoll ſtolze Mann war durch das ihm widerfahrene Leid faſt gebrochen. Am 27. November 1840 hatte er mit tiefer Betrübnis eingewilligt, Syrien für immer frei zu geben und die türkiſche Flotte, die in ſeinen Häfen lag, dem Sultan zu überlaſſen. Dafür erhielt er den erblichen Beſiß von Ägypten. Nun gelang es den Diplomaten raſch, das Kriegsgewölk zu verſcheuchen und die Spannung zu beheben. Beckers Rheinlied wurde zwar weiter geſungen, aber die Franzoſen blieben innerhalb ihrer Landesgrenzen. .
Im Fahre 1815 war von dem hohen diplomatiſchen Rate zu Wien der winzige polniſche Freiſtaat Krakau geſchaffen worden, der gleichſam wie ein legter Zeuge einſtiger allerdings ret fauler Pracht — des ehemaligen ſelbſtändigen Polen — ein kümmerliches Daſein friſtete. Für Öſterreich iſt die kleine Republik ſtets ein unangenehmer Nachbar geweſen, der Metternich und ebenſo den preußiſchen und ruſſiſchen Staatsmännern viel Ärgerniſſe bereitete. Schon im Oktober 1835 wurde bei der Monarchenbegegnung in Tepliß vereinbart, daß der Freiſtaat im Laufe der Jahre der habsburg-loth=ringiſchen Monarchie als Gebietserweiterung zufallen ſolle. Der guten Form halber ſeßte man feſt, daß dies bloß im Falle „eines freien Wunſches der Republik“ geſchehen möge. So ſehr man ſonſt für die Unantaſtbarkeit der beſtehenden Ordnung eintrat, in dieſem Falle geſtatteten ſich die ſtarren Vertreter des Legitimitätsprinzips unbekümmert eine Abweichung. Die Sterbeſtunde für die Republik Krakau ſchlug im Fahre 1846. Fn allen polniſchen Gebieten wurde um dieſe Zeit fieberhaft ein gewaltiger Aufſtand vorbereitet, durch den die zerſplitterten Teile des einſtigen Königreichs Polen wieder zu einem lebensvollen Ganzen vereinigt werden ſollten. Auch in Krafau gärte es bedenklih und der ſ<hwächliche Senat ließ ſich von den Vertretern der benachbarten Schußmächte dazu bewegen, den E inmarſch eines öſterreihiſ<hen Korps zu verlangen. Dieſem willkommenen Wunſche wurde freudig willfahrt. Aber die Öſterreicher mußten glei das Feld räumen, und ſie kehrten erſt zurüd,