Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

936 TT. Dex Kampf gegen Napoleon.

ſiegen müſſe. Hinter der Begeiſterung, in die man ſi<h im Norden Deutſchlands hineinſchrieb und hineinſprach, blieb der Patriotismus nicht zurüd, der in Öſterreich erwacht war. Wohl fla>erte er nur im Kreiſe der deutſchen Bewohner hell auf, aber dieſe repräſentierten vornehmlich den Staat. Von oben und unten wurden die Maſſen an=gefeuert. Die Erzherzoge Carl und Johann und auch andere kaiſerliche Prinzen taten das Jhre; Stadion blieb nicht müßig ; Genz ſchrieb anſpornende Artikel; Freiherr von Hormayr lehrte das Volk die Geſchichte ſeines Vaterlandes lieben und bewundern. Junge Dichter ſtimmten ihre Leier, um ihr patriotiſche Lieder zu entlo>en und freuten ſih des Taumels, der die Bewohner deutſcher Städte ergriff. Die dritte Gemahlin des Kaiſers Maria Ludovica — ſie unterſchrieb ſich gerne als Luiſe — vereinigte Geiſt und Schönheit und in ihrem zarten Körper lebte ein hoher Sinn für Großes. Anfänglich dem Frieden zugeneigt, beflügelte ſie alle, die ihr nahekamen, als der Krieg unvermeidlich ſchien 1). Der Kaiſer ſelbſt blieb auch in dieſer Epoche kühl wie immer; indes, ſogar er, der jede Volksbewegung fürchtete, weil er zu ſehr unter dem Eindrue der franzöſiſchen Revolution ſtand, die ihm ſeine Tante geraubt hatte, erbat ſih vom Grafen Stadion ein Gutachten darüber, auf welche Weiſe die Maſſen dur< Volksſchriſten beeinflußt werden könnten ?).

Öſterreich litt unter der Unordnung, in die ſeine Finanzverhältniſſe durch die vielen Kriege geraten waren: es ſeufzte ebenſo unter den Folgewirkungen einer Handelsfriſe, die im Fahre 1808 zum Ausbruche kam. Trozdem und alledem wurden mancherlei Reformen vorgenommen ; nicht ſoviel freilich, wie vorgeſchlagen und als notwendig bezeichnet worden waren. Erzherzog Carl bemühte ſich redlich, die Armee geiſtig zu heben. Neben ihr huf er ein Volk3heer, indem er die Landwehr ins Leben rief, der alle wehrfähigen Männer zwiſchen 18 und 25 Jahren angehören ſollten. So wurde die Bevölkerung aufs innigſte mit dem Schickſale des Staates ver=fnüpft und wenn es nun zu einem ernſten Kampfe kommen würde, dann ſollte dies niht mehr ein Kabinettsfrieg ſein.

Graf Philipp Stadion riet, die Gewehre raſch zu laden und die günſtige Konjunktur auszunüßen. Dagegen wollte Erzherzog Carl auch jezt no< den Frieden ſichern. Öſterreich hielt natürlih nah Bundesgenoſſen Ausſchau. Rußland war jedo<h an Napoleon ge-

1) Eugen Guglia. Kaiſerin Maria Ludovika. Wien 1894."

2) Adolf Beer. Zehn Jahre öſterreichiſcher Politik (1801—1810). Leipzig 1877.