Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

B. Napoleons Niederlage 57

Napoleon gegenüber betonte der Miniſter gleichfalls ſeine Abſicht, als Mittelsperſon gute Dienſte zu verrichten. Der Wiener Hof mahnteden Korſen, der das Anerbieten nicht rundweg ablehnen fonnte, wiederholt zum Abſchluſſe des Friedens. Napoleon dachte hingegen nur an den Krieg und forderte, daß Öſterreich diesmal mit einem doppelt ſtarken Hilfsforps gegen Rußland ziehen möge. Der Kaiſer der Franzoſen war übrigens mißtrauiſ<h geworden. Schon im Dezember erteilte er ſeinem Botſchafter in Wien argwöhniſch den Auftrag, beſonders aufmerkſam auf alle Schritte Metternichs zu achten. Jett, da das blutige Ringen unmittelbar bevorſtand, bemühte er ſich, dur freundliche Zuſicherungen zu erreichen, was er dur< Drohungen nicht vermocht hatte. Aber Metternich drehte den Spieß geſchi>t um. Klügelnd las er aus den Noten des Kaiſers ſogar die Aufforderung zur bewaffneten Vermittlung heraus, alſo das, was ihm am Herzen lag. Und ſo zeigte er im April 1813 Napoleon an, daß er ſich ſür die Jntervention zugunſten des Friedens durch die Bereitſtellung militäriſcher Machtmittel ſtärken wolle. Freilich, die aufgebotenen Truppen ſollten nicht der Herbeiführung eines raſchen, wohltuenden Friedens, ſondern der Niederwerfung Napoleons nach ſchwerer Anſtrengung dienen. Der Eintritt dieſes ereignisvollen Umſchwungs blieb jedo<h dem Sommer vorbehalten, und vorerſt lag er no< außerhalb der nächſten Pläne Öſterreichs . 1)

Mit fieberhafter Aufmerkſamkeit verfolgte man in der Wiener Staatsfkanzlei, den Gang des Frühjahrsfeldzuges, der den rühmlichen Befreiungsfkrieg einleitete. Napoleons oftbewährtes Waffenglük ſchien ſih zu erneuern. Da kam am 4. Juni 1813 ein Waffenſtillſtand zwiſchen den verbündeten Preußen und Ruſ=ſen und dem Kaiſer der Franzoſen zuſtande, der niht wußte, daß Öſterreich dabei in geheimem Einverſtändniſſe war. Nun galt es für Metternich wirkungsvoll einzugreifen. Kaiſer Napoleon, der dem Staate ſeines Schwiegervaters niht mehr traute, wollte die auf=dringliche Vermittlung Öſterreichs durchkreuzen, indem er den Zaren auf ſeine Seite zu bringen trachtete. Fn Wien hatte man die Unverläßlichkeit Rußlands in den drangſalvollen Zeiten der früheren Koalitionsfkriege ſattſam kennen gelernt und baute deshalb nicht auf die Begeiſterung Alexanders, die ſich in Extremen bewegte. Um dem

1) Für die Teilnahme Öſterreichs am Befreiungskriege ſiehe das im Erſcheinen begriffene populäre Sammelwerk: „1813—1815. Öſterreich in den Befreiungskriegen.“ Wien 1911.