Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871
Zurü>gabe der Kunſtwerke. 353
Am ſhmerzlichſten fiel den Franzoſen die ihnen auferlegte Heraus= gabe der Kunſtſachen und Koſtbarkeiten aller Art, die ſie aus Italien, Belgien, Deutſchland und Spanien zuſammengebracht und als Trophäen in Paris aufgeſtellt hatten. Dieſe waren einſ eine Beute des Sieges geweſen, und kehrten jezt nah der Niederlage wieder an die früheren Beſißer zurü>. Abgeſehen davon, daß ſi hiergegen von Seiten des Rechts nicht das Geringſte einwenden ließ, ſo war es außerdem wünſchenswerth, daß eine Anzahl unſhäßbarer Werke, die in Rom, Florenz, Venedig u. ſt. w. entſtanden oder aufgefunden worden, und zu dem Charakter und der Geſchichte jener Gegenden gehörten, ihrer Heimath wiedergege= ben wurden. Sie übten daſelbſt eine höhere Wirkung als in Paris aus, weil ſie, abgeſehen von der langen Gewohnheit des ganzen gebildeten Europa, ſie dort zu ſuchen, au< mehr mit der ſie umgebenden Welt übereinſtimmten, Als die Bevollmächtigten der verſchiedenen Mächte, denen ſolche Zurü>erſtattungen zukamen , den berühmten Bildhauer Ca=nova im Namen des zu den meiſten Forderungen berechtigten Pabſtes an der Spibe, die ihnen zu verabfolgenden Werke in Empfang nehmen wollz ten, weigerten ſi< die pariſer Arbeiter mit lobenswerthem National= gefühl, dabei Hand anzulegen. Denn wenn die verbündeten Mächte ſehr unrecht daran gethan hätten, den Franzoſen dieſe koſtbare Beute zu laſſen, ſo konnte man von dieſen niht verlangen, daß ſie zu ihrer eigenen Demüthigung mitwirken ſollten.
Talleyrand unterhandelte unterdeſſen mit den in Paris anweſenden verbündeten Monarchen und ihren Miniſtern über den mit Frankreich abzuſchließenden Frieden. Dieſer war nach der Art, wie Napoleon abermals mit Hülfe des franzöſiſchen Heeres die Ruhe Europa's geſtört hatte, niht ſo leiht wie im vorhergehenden Jahre zu erlangen. England und Rußland waren geneigt, Frankreich nicht über die Gebühr zu {hwächen, weil ſie ſelbſt davon keinen Vortheil gezogen hätten. Aber die an Frankrei gränzenden Staaten wünſchten, ſi< auf franzöſiſche Koſten zu ver= größern und für die Zukunft ſicher zu ſtellen. Beſonders fielen manche deutſche Publiciſten, zum Theil aus Haß gegen Frankreich wegen der von ihrem Vaterlande erfahrenen Drangſale, mehr aber noh aus einer Ver= kennung der Natur des franzöſiſchen Staates und Volkes, und der allge= meinen Lage Europa's, mit ihren Forderungen in das Uebertriebene, und dachten an ein Losreißen aller Gränzprovinzen von Frankreich. Dieſes Land bildet aber den homogenſten aller Staaten, und nicht nur ſeine alten Beſtandtheile, ſondern auch die ſpäter hinzugekommenen haben ſich dem Ganzen ſo feſt angeſchloſſen, als hätten ſie immer zu demſelben gehört.
BVe>er, Weltgeſchichte. 8, Aufl, XVI. 23