Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871
364 Neueſte Geſchichte, 2. Zeitraum.
Augenbli> mußte den von ihnen repräſentirten Intereſſen alles Andere nachgeſebt werden.
Die Bedingungen, deren Annahme die verbündeten Mächte gegeo Gewährung des Friedens von Frankreich verlangten, waren jeßt, obwohl für den franzöſiſhen Stolz demüthigend, doc viel milder als vorher der Fall geweſen. So lange Talleyrand die auswärtigen Angelegenheiten leitete, hatte man auf größeren Abtretungen, einer längeren Beſetzung des Landes und einer höheren Kriegsentſhädigung beſtanden. Der perſönliche Einfluß Richelieu's auf den Kaiſer Alexander, die gemäßigten Geſinnungen Wellington's, die Rü>ſicht auf die Erhaltung des europäi= ſchen Gleichgewichts trugen zuletzt über die gereizte Stimmung, von der die Verbündeten beim Anfange der Unterhandlungen erfüllt geweſen, den Sieg davon. Indeſſen erſchien das Ultimatum der Großmächte Lud= wig XVIT. noch immer ſo hart, daß er ſih nur mit größter Selbſtüber= windung zu deſſen Annahme entſchloß, Richelieu es aber geradezu ver= warf und ſi zurücziehen wollte. Er glaubte die Ehre ſeines Namens dur Unterzeichnung eines für Frankreih demüthigenden Friedens zu befle>œen. Es waren nit blos die Bitten, ſondern ſelbſt die Thränen Ludwig XVTIT. erforderlich, um ſeinen Miniſter zum Verbleiben in ſei= ner Stellung zu bewegen. „Der einzige Troſt, der mir bleibt,“ ſagte Nichelieu ſpäter öfters , ‘wenn er auf dieſe Epoche ſeines Lebens zurü>= fam, „iſt die Ueberzeugung, daß Niemand ſo viel als i von den Ver= bündeten erhalten hätte!‘ —
Nach langen Unterhandlungen ward endlich am 20. Nov. (1815) der zweite pariſer Frieden unterzeichnet. Die Gebietsabtretungen, denen Frankreich ſih unterwerfen mußte, waren, die Gränzen des Landes in Betracht gezogen, niht bedeutend. Von den unter Ludwig XIV. ge= machten Eroberungen hatte es nur Landau, Hüningen, Saarlouis, Ma-= rienburg und Philippeville herauszugeben. Landau wurde unter bayeri= ſche Hoheit geſtellt, aber für eine Bundesfeſtung erklärt , Hüningen ge= ſ<leift, Saarlouis kam an Preußen, Marienburg und Philippeville wurden zu dem Königreiche der Niederlande geſchlagen. Savoyen wurde dem Könige von Sardinien zurü>erſtattet. Aber ein Theil der franzö= ſiſchen Nord= und Oſtprovinzen follte mit mehren feſten Pläßen fünf Jahre lang von den Verbündeten mit einem aus 150,000 Mann beſtehenden Heere beſeßt bleiben, und die Koſten der Erhaltung deſſelben von Frankreich getragen werden. Es war dies ein Pfand für die Bewahrung der inneren Ruhe in Frankreich. Außerdem wurde dieſem eine Kriegsſteuer von 700- Millionen Franken auferlegt, und es mußte fih