Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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Sonnabend, den 13. Juli, Mittags 1/512 Uhr, hält ein Fiacre vor der Thür des Volksfreundes. Eine junge Dame, die in demſelben gekommen iſt, erſcheint (vielleiht zum zweiten Male an dieſem Tage) an der Thür des Vorzimmers und verlangt den citoyen Marat zu ſprechen. Sie hat, wie ſie ſagt, ihm ſehr intereſſante Neuigkeiten mitzutheilen. Simonia Evrard antwortet ihr, daß ſie ſie niht hereinlaſſen fann, weil der Zuſtand des Kranken derartig iſt, daß er keinen Beſuch empfangen fann.

„Aber, wann muß man denn wiederkommen ?“ fragt die junge Dame.

Simonia erwidert: „Jh kann Jhnen keine Zeit beſtimmen, da ih niht weiß, wann Marat wieder hergeſtellt ſein wird.“

Um 7 Uhr kommt ein Brief an, des Fnhalts : „Jh bin von Caen. Jhre Vaterlandsliebe muß es Jhnen wünſchenswerth erſcheinen laſſen, die Komplotte kennen zu lernen, welche man dort ſchmiedet. Jh erwarte Fhre Antwort. Charlotte Corday.“

Die junge Dame, eine Adelige, welche mit den na< Caen geflüchteten Girondiſten bekannt geworden war, kommt um 8 Uhr Abends wieder. Dießmal wird ſie von der HZeitungsfalzerin Pain, die zugleich Thürhüterin iſt, zurückgewieſen, Charlotte von Corday will ſich nicht abfertigen laſſen. Es entſteht ein Streit, den Marat hört. Der Kranke liegt, mit einem Tuche bede>t, im Bade. Bei ihm iſt ſeine geliebte Simonia. Marat läßt die Charlotte eintreten. Simonia zieht ſi<h aus Schicklichkeit zurü>. Charlotte ſeht ſi< oben aun die Badewanne, ſodaß Marat, wenn er beim Sprechen ſie anſehen will, ſeinen Kopf wenden muß. Es entſpinnt ſih folgendes Geſpräch :

„Was gibt's in Caen ?“ =

„ „Achtzehn Deputirte des Konvents, in Uebereinſtimmung mit dem Departement, herrſchen dort,“

„Was ſind ihre Namen ?“

Die Beſucherin nennt dieſelben. Marat ſchreibt ſi<h die Namen auf. Dann ſagt ex:

„Sie werden nicht lange machen, bis ſie guillotinixt werden.“

Bei dieſen Worten ſpringt die junge Dame auf und ſtößt dem arglos daliegenden Marat ein langes Meſſer in die Bruſt, Marat ruſt: „Herbei, meine liebe Freundin, herbei !“ und ſinkt in ſi< ſelbſt zuſammen. Auf dieſen Hülferuf laufen Alle herbei. Simonia ſtürzt nah der Badewanne, indem ſie ſchreit: „Ach, mein Gott, ex iſ ermordet!“ — Charlotte von Corday, die ſi< verzweifelt wehrt, wird feſtgenommen, gefeſſelt und nah einiger Zeit der Polizei überliefert. Ein das gleiche Haus bewohnender Wundarzt konſtatirt, daß das Leben Marat's entflohen iſt.

Den 15. Juli Abends legt die Kommune an diéè Hinterlaſſenſchaft Marat's Siegel an. Als dieſelben den 23. Juli wieder aufgehoben werden, findet man als gauzen Geldvorrath Marat's einen Aſſignat von 25 Sols (im nominellen Werthe von 1 Mark oder 10 Silbergroſchen). Marat hinterließ Schulden. Sein Vermögen und das ſeiner Geliebten waren ganz aufgegangen.