Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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Der Winter von 1793 bis 1794 war außerordentlich ſtreng. Die Stadtbrunnen froren ein, und da in Paris das Trinkwaſſer gekauft werden muß,*) verlangten die Waſſerträger, welche das Waſſer weit zu holen hatten, für den Gang 15—20 Sous. Weil wegen des Eijes auf der Seine keine Holzkohlen zum Heizen der Zimmer mehr ankamen, mußte ſi<h das Volk Holz aus den Wäldern von Vincennes, Boulogne, Meudon, St. Cloud und Verrières hexbeiſhleppen, wenn es nicht exfrieren wollte. Das Brot war ſo ſelten, daß ſih vor den Bäkerläden ſhon vor Tagesanbruch die Frauen in dichten Reihen hinter einander aufſtellten. Es war Mangel an Butter und Eiern, an Hülſenfrüchten und Reis. Da aus dex verwüſteten Vendee keine Dchſen mehr nach Paris gebracht wurden, ſah ſi<h die Kommune zu einer Bekanntmachung veranlaßt, wona<h auf jeden Mund ein Pfund Fleiſch alle zehn Tage feſtgeſeßt wurde. Auch gerieth man auf den Gedanken, an die Staatsbürgertugend des leeren Magens ſih zu wenden und ein republikaniſches Faſten anzuordnen. Es zirkulixrten allerlei Gerüchte über die Urſachen dieſer Noth, Die Reaktionäre verbreiteten Pamphlets, welche alle Schuld dem Konvente aufbürdeten, während die Revolutionäre die Hungersnoth den. Ariſtokraten ſhuldgaben Die Haupturſachen der Theuerung lagen jedo< in den inneren Unruhen und dem äußern Krieg, in der dur< den Verkauf der Nationalgüter herbeigeführten Spekulation und Schwindelei und in der unabläſſig zunehmenden Maſſe Aſſignaten. Was dieſes revolutiouäre Papiergeld anbetrifſſt, ſo wurden, um es gänzlich zu entwerthen, von der engliſchen Regierung Millionen deſſelben gefälſcht und von der Schweiz aus in Frankreich verbreitet. Zur Beſeitigung der Theuerung ſ{hlug Dubois-Crancé in einer Broſchüre die Errichtung von obrigkeitlihen Verkaufs-Magazinen, wo das Volk zu den Erzeugungskoſten, mit einem geringen Auſſchlag für Magazinirung und Ueberwachung, ſollte Nahrungsmittel kaufen können, für alle Ortſchaften der Republik vor, und in einer andern Broſchüre ſuchte der Hebertiſt Momoro den Beweis zu liefern, daß das Maximum dur<führbar ſei. Die Schriſt Dubois-Crancé's führte den beſtechenden Titel: „Das Brot um 2 Sous in dex ganzen Republik.“ Zugleih fertigte eine durch Dekret vom 11. Brumaire (1. November) eingeſeßte „Kommiſſion der Subſtanzen und des Proviants der Republik“ ſtatiſtiſ<he Tabellen an, worauf Folgendes ſtand: 1) der Preis, den jede Waare am Orte ihrer Produktion im Jahre 1790 gegolten hatte; 2) der Preiszuſchlag für jede Stunde des Transportes vom Erzeugungs- zum Konſumtions-Plaßte 5 3) der Gewinn der Großhändler, zu 5 Prozent berechnet; 4) der Gewinn der Kleinhändler, zu 10 Prozent berechnet. Somit beſchäftigte man ſih ernſtli<h mit der Löſung der Preisfrage, eines ſehr wichtigen

*) Für das Volk gibt es jet in den verſchiedenen Stadttheileit Waſſer= leitungen, die täglich eine Stunde fließen und unentgeltlich Waſſer liefern, ſonſt aber abgeſchloſſen ſind. Die Hauseigenthümer, welche in ihren Häuſern einen Brunnen, reſy. eine Waſſerleitung haben, exlauben niht, daß Jedermann bei ihnen Waſſer holt. Ein Eimer Waſſer foſter jezt bei den Waſſecträgern gewöhnlich 2 Sous = 10 Pfennige. Die öffentlichen Brunnen für die Waſſerträger waren damals häufiger als jezt, Siehe Paris Guide, Paris 1867, 2, Band, S. 1626—21.