Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

gedecktheit der beiden Augen, geteilte Blickrichtung, Unsymmetrie des Ausdrucks, das ergäbe wieder eine Reihe von Spezialuntersuchungen; die Schwankungen der Einstellung wären an Zeitlupenvergrößerungen besonders gut zu studieren. Könnten wir das Schwingen der gespannten Teilchen dann durch eine Welle wiedergeben, ähnlich wie die Schallschwingungen durch die komplizierten Wellen auf der Schallplatte, so würde vermutlich eine Ähnlichkeit zwischen den Wellenlinien reicher, harmonischer Akkorde und denen des lebhaften Blicks einerseits und den abgerissenen, stachligen, unrhythmischen Zickzacklinien widriger Dissonanzen und Geräusche und des unsteten Blicks anderseits bestehen.

Wieder steht es fest, daß der unruhige Blick häufig zugleich ein geteilter ist; die Augen sind gleichzeitig hier und doch schon wieder irgendwo anders, und so auch die Aufmerksamkeit (Tabelle 6, Fig. 2).

4. Der starre Blick

Das negative Gegenstück des ruhigen Blicks ist der starre Blick (Kürten XVI, 7), dessen Leblosigkeit wahrscheinlich auch unter der Zeitlupe keine großen Schwankungen zeigen würde. Diese Trägheit ist vielmehr das beste Zeugnis dafür, daß die Ruhe der Lebhaftigkeit nur ein Vibrieren in gespannter Feineinstellung ist. Daher deutet dieser starre Blick selbst auf innere Leblosigkeit, Fühllosigkeit, Kälte, Stumpfheit, Unverbundenheit mit dem Gesetz des Lebens selbst.

So mischt sich denn auch in die Ruhespannung des Nietzsche-Blicks, wie schon erwähnt, ein verhängnisvoller Unterton von tiefer Ruhelosigkeit und Starre zugleich (IX, 3). Dies flackernde Gemisch wird, wenn es nicht durch die übermenschliche rhythmische Kraft Nietzsches gebändigt ist, denn auch zum Anzeichen einer im Zerfall begriffenen Seele (Irrsinniger Schneider vom Steinhof XII, 9).

Diese Starre kennzeichnet übrigens, wie schon erwähnt,

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