Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

II. Die Seitenspannungen der Mundmwinkel

Unmittelbar am Mundwinkel greifen außer dem einwärtsziehenden Lippenmuskel drei Radiärmuskeln in verschiedenen Richtungen an: hinauf der Jochbeinmuskel, nach der Seite der Lach- und nach unten der dreieckige Muskel (Fig. 27). Ihre Auswärtsspannungen sind bis zu einem gewissen Grad unwillkürlich, was unsere bisherigen Ergebnisse, daß sie die Träger von Gefühlen sind, bestätigt. Die StelJungen der Mundwinkel, von diesen Muskeln dirigiert, können wohl vom Willen verstärkt, aber nicht selbst hervorgerufen und nachgeahmt werden, wenn sie nicht künstlich und gezwungen wirken sollen. Daher sind die Mundwinkel die empfindlichsten Zeiger an der seelischen Skala, und an ihren winzigsten Ausschlägen nach oben oder nach unten können wir Wahrheit von Falschheit unterscheiden.

Es ist allgemein bekannt, daß aufwärtsgerichtete Mundwinkel, die dem Munde einen lächelnden Zug verleihen, ein Lustgefühl anzeigen, abwärtsgerichtete aber, die bitter oder mürrisch erscheinen, ein Unlustgefühl. Dazwischen liegt eine neutrale Einstellung, die seitliche Stellung der Mundwinkel mit der Bedeutung einer Gefühlsindifferenz oder einer Abwendung vom Gefühl überhaupt und einer Hinwendung zu anderen seelischen Inhalten, seien es geistige oder solche des Willens; welche das sind, muß natürlich im jeweiligen Falle durch andere Anzeichen mitbestimmt werden.

Hier müssen wir gleich die Grundunterscheidung zwischen der einfachen unwillkürlichen Außenspannung der Mundwinkel und ihrer triebmäßigen Verstärkung treffen, die, noch stärker als bei den Augen, den Gefühlen ein Angriffsmoment hinzufügt, das zu ihnen im selben Gegensatz steht wie das Tun zum Leiden, die Aktivität zur Passivität. Es ist eben nicht gleichgültig, ob meine Mundwinkel seitwärts gerichtet sind, weil ich objektiv eingestellt bin oder weil

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