Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

beim Lächeln mit jener der Peinstellung verwechseln; auf dem Porträt Mosers (XIV, 3) mischen sich die beiden und das Lächeln erscheint sofort gezwungen. Ein anderes Beispiel: die leidenden Mundwinkel Nansens (XII, 4) tragen einen bitteren Zug, viel stärker eigentlich als die Ecce- Homo-Bilder (XIII, 4, 5); wir werden später lernen, worin er sich von dem bloßen Leidenszug unterscheidet.

2. Die triebhaft verstärkten Seitenspannungen der Mundwinkel (Tabelle 13)

Hier haben wir wieder das Analogon zu den verstärkten Außenspannungen des Auges: die Zange, die sich nach außen öffnet, um sich desto besser zu schließen. Darum liegt in diesem Auseinanderziehen der Mundwinkel ein starkes Angriffsmoment, im Entblößen der Zähne vor dem Zupacken, dem auch in der Ausdrucksandeutung nicht selten noch das Öffnen des Mundes in den diversen Beißstellungen folgt (vgl. Tabelle 11).

Wir sprachen ja schon davon, daß das Tiermaul, so breit es ist, doch noch verbreitert, aber nicht verschmälert werden kann. Bei den Menschen nun liegen die Mundwinkel näher aneinander; entsprechend größer ist denn auch die Möglichkeit der Wiederverbreiterung nach außen. Hier regt sich wieder die alte Fletschlust; und eine Fletschspannung ist es denn auch, um die es sich hier handelt, und Angriff ist ihr Ausdruck, nicht mehr Gefühl, wie bei den unwillkürlichen Seitenspannungen. Diesmal sind es Einstellungen im Sinne der Bezugswendungen. Die eigentliche Kontaktstellung ist hiebei die Fletschstellung mit den horizontalen Mundwinkeln; ist sie doch die Vorbereitung zum unmittelbaren Angriff auf den Gegner. In der Ruhestellung sind bei den Raubtieren die Mundwinkel sogar etwas gesenkt, eigentlich ein verhängter Zug, der bloß eine latente Angriffs-

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