Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance
mit unzerstörbarer Dauer zu begaben?” fragt er mit fast alchemistisch anmutenden Worten. Die heiligen Namen Apollos, wie sie Ammonius deutete, künden Pico wieder den gleihen dreifachen Aufstieg: „Nichts zu sehr” (Tugend, Maß) „erkenne dich selbst” (d.h. die ganze in dir vereinigte Natur) und endlich „du bist” (ei). Ähnlich werden auch die Ritualvorschriften des Pythagoras ausgelegt. Auch der „Chaldäer” Zoroaster lehrte seine Schüler, zuerst die Flügel mit dem Wasser des Lebens zu benetzen, das in den vier Paradiesströmen geshöpft wird, und das heißt nach Pico, daß sie „mit Moralphilosophie die Trübheit der Augen fortwaschen und durch Dialektik, also gleichsam mit borealishem Richtscheid (Winkelmaß, Kompaß!), ihreSehkraft auf das Rechte einstellen.” Doch das bleibt Vorstufe, „noch liegt das Licht der Wahrheit in Dämmerung gebettet”, bis wir endlich durch Theologie „in das lodernde Licht der im Süden stehenden Sonne tauchen, gleich wie der Adler in den Luftraum emporsteigt.” Endlich empfiehlt Pico, für die erste Stufe Rafael, den „Himmelsarzt”, anzurufen, für die zweiteden „Gabriel”, für die dritte „Michael”, „den höchsten Priester” (pontifex maximus). — An späterer Stelle seiner Rede nennt Pico auch seine wichtigsten Lehrer, die ihn auf den Stufen der Dialektik und Naturphilosophie unterwiesen haben: zuerst gewisse christliche Scholastiker, unter denen Albertus Magnus nicht fehlt, dann die Araber und die späten neuplatonischen Griechen, wobei Jamblichus besonders gelobt wird, der mit der „geheimeren Philosophie” und den Mysterien des Morgenlandes bekanntmacht. Alle diese Systeme sind im Grunde eines. Die Peripatetiker haben ihre Kenntnisse über die Natur nur durch die Vorarbeit der „Akademie Platons”,deren Lehren einen „heiligen Besitzstand der Philosophie” bilden. Diese schöpfte wieder aus der Urquelle des Morgenlandes. Hier will Pico auch selbständig geforscht haben: die uralte Theologie des Hermes Trismegistos kennt er, die chaldäischen und pythagoräischen Lehren und vor allem die „dunklen Mysterien der Hebräer”. Die Übereinstimmung Platons und Aristoteles’ will er neu beweisen, die „Philosophie der Zahl”, „uraltes Erbgut der Weisheit”, neu erschließen, auch die echte „weiße” Magie (Sympathie), die Lehre der jüdischen Kabbala in den Dienst des christlichen Glaubens stellen. Kabbala aber ist esoterisches Geheimnis, das nur
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