Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

marſchiren; Fürſt Nikolaus von Montenegro eilte in Begleitung ſämmtlicher Serdare und Wojwoden der Schwarzen Berge zu dieſem Schauſpiele herbei, zu welhem au<h Militär von Serbien erwartet wurde. Deputationen der ſerbiſhen und ſelbſt der griechiſ<hen Armee hoben den panſlaviſtiſchen und pfortenfeindlichen Charakter der Bukareſter Parade noch beſonders hervor und die Anweſenheit ruſſiſcher, öſterreihiſher und preußiſcher Stabsofficiere verkündete es in bedeutſamer Weiſe, wel<' hohen Schußes unter den europäiſ<hen Großmächten ſi<h die ehrgeizigen Halbſouveraine erfreuen und rühmen durften. Es zeigte ſi< nunmehr re<t deutli, daß Oeſterreich in erſter Linie zu den Protect oren dieſer türkiſhen Vaſallen ſtand, daß es den Preis für das Drei-Kaiſer-Bündniß, für die ruſſiſche Freundſchaft mit der Verleugnung ſreiner alten Orient-Poli tik zahle und daß Graf Andraſſy im Schlepptau des Fürſten Gort\<ako ff einherziehe. Statt mit eiferſüchtigem Bemühen die hundertjährigen Pläne der zähen Moskowiter zu durchkreuzen, anſtatt wie ehedem unerſchütterli<h den Beſtand der Türkei und die Integrität ihrer ſouverainen Rechte zu bewachen, unterſtüßte Deſterreih auf einmal mit aller Kraft das Unabhängigkeitsſtreben der Lehensmänner der Pforte und trat für Anſprüche ein, die tägli< kühner und überſpannter wurden, und das Alles etwa nur, um die Kaſtanien für Nußland aus dem Feuer zu holen; es ging Graf

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Andraſ\y ſeinen nordiſchen Freunden zuliebe an die Arbeit, wieder einen Zipfel des Pariſer Vertrages abzuſtußen, und intervenirte bei der Pforte direct, um Rumänien gegen die Beſtimmungen des erwähnten Vertrages das Recht zum ſelbſtſtändigen Abſchluß von Handelsverträgen zu erwixken ; es ſollten niht mit dem Schwerte, \ondern äußerſt harmlos mit Feder und Scheere in den Händen die ſouverainen Rechte der Pforte ſtü>weiſe wegdiplomatiſirt werden,

Es iſt begreiflich, daß dieſe Bemühungen von Deutſchlan d lebhaft unterſtüt wurden; hatte es doh an Rußland, das ihm in den letten zwei Kriegen den Rücken frei hielt, eine große Schuld abzutragen; indeſſen — Deſterrei<s Haltung läßt ſih nur erklären, wenn ſeine Staatsmänner dem „Muß“ folgen und die Erhaltung des Friedens für eine geringe Pauſe eines ſo hohen Opfers für werth halten. So waren denn alle anderen Milderungsgründe unhaltbar und am unzuläſſigſten jene geheimen Jlluſionen, die \i<h mit der trügeriſchen Hoffnung täuſchten, es würde Oeſt errei bei einer großen Kataſtropheim Orient ſeinen Vortheil finden.

Die Pforte war ſomit allein auf die diplomatiſche Unterſtüzung der Weſtmächte angewieſen ; ſie rüſtete einſtweilen, um für alle Fälle vorbereitet zu fein und auf die Parade in Bukareſt nöthigenfalls die Antwort niht ſ{uldig bleiben zu müſſen.

Thronfolge-Fatalitäten.

Man ſagte dem dur<h Jahre England am Goldenen Horn vertretenden Lord Stratford de Redcliffe die Aeußerung nah: „Mir erſcheint als die willkommenſte Löſung der orientaliſhen Frage, wenn das Schwarze und das Mittelländiſhe Meer über dem Feſtland der europäiſhen Türkei zuſammenſchlagen und das ganzé Land unter Waſſer ſeen würden“. Es iſt allerdings Peſſimismus, was dem edlen Lord dieſe Meinung eingegeben, indeſſen denkt wohl ein guter Theil der europäiſhen Diplomaten und Staatsmänner, die mit der Türkei in Berührung gefommen ſind, im Stillen genau dasſelbe und iſt der Orient heute genau dasſelbe, was er ſeit 1788 geweſen — für die Mächte eine Quelle der Unruhe, Sorge und Verlegenheit, kurz, wie ſie ein geiſtvoller Publiciſt nannte, eine „Pandorabüchſe, aus der ewig Unheil hervorgehen kann“.

Jn der letzten Zeit hatte ſi< die Situation eher verſhliminert als verbeſſert; zu den Unabhängigkeits-Beſtrebungen der halbſouverainen Na-

tionalitäten an der unteren Donau geſellte ſich der Mangel an Geſchi> in den leitenden Kreiſen des O3maniſchen Reiches und die Beſtrebungen des Sultans Abdul Aziz, ſeiném ſiebzehnjährigen Sohne Juſſuf Fzzedin die Thronfolge zu ſichern, ihn an die Stelle des re<htmäßigen Thronfolgers, des Prinzen Murad Effendi, Sohn Abdul Medjid's, zu ſetzen, Ein öffentlicher zu dieſem Zwecke in der Militärſchule von Paucaldi dur< den Prinzen Juſſuf gewagter Verſuh machte jedo< entſchiedenes Fiasco, und nun fand eine Art Ausföhnung zwiſchen dem Sultan Abdul Aziz und ſeinem Bruder M urad ſtatt, deren Aufrichtigkeit mit Recht bezweifelt wurde. Dieſelbe wurde dur< den Scheik-al-Jslam (Haupt der Gläubigen, Vornehmſter der türkiſchen Geiſtlichen) und den engliſhen Botſchafter, Sir Harry Elliot, vermittelt. Es verſprach hierna< Abdul Aziz feierli<h und unter Ablegung eines Eides auf den Koran, an keinem einzigen Rechte des Prinzen Murad Effendi zu rütteln; da-