Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
gethan hätten, um dieſesmal etwas ernſter zu agiren. Vorbereitungen, um jede Ruheſtörung hintanzuhalten, wurden getroffen. Man verſicherte, daß dieſe Demonſtrationen dur< das Feſt hervorgerufen worden ſeien, welches die italieniſ<he Partei zu Ehren der Kriegsmarine veranſtaltete und zu wel<hem wohl au< ſlaviſhe Familien geladen wurden, doh eine Einladung an den Podeſtà (Bürgermeiſter) niht erfolgt war. Darin ſollte nun die \laviſ<he Partei eine beabſichtigte Zurü>kſezung erbli>t haben. Die italienif#<e Partei behauptete, eine derartige Abſicht niemals gehabt zu haben. Thatſahe war, daß die Feindſeligkeiten der Parteien gegeneinander durc die Kaiſer-Reiſe nicht abgeſ<wächt wurden, im Gegentheile wo möglich zu noh eclatanterem Ausdrucke kamen.
Von einiger Bedeutung war die Zuſa mmenfunft des Fürſten von Montenegro mit Seiner Majeſtät dem Kaiſer von Oeſterreich.
Fürſt Nikolaus ſchien vom Schikſal zu großen Dingen auserſehen. Obſchon ex ſein Scepter nur über ein halbes Dutzend armſeliger Dörfer und über einen kleinen Stamm kriegeriſher Gebirgs8bewohner ſ{hwang, hielt man ihn über furz oder lang für berufen, eine gewichtige Rolle auf dem Welttheater zu ſpielen, beſtimmt, den Funken in die Pulvertonne zu werfen. Wenn die orientaliſhe Frage einmal „ſpruchreif“ war und die Gegner der Pforte den Augenbli> für gekommen erachteten, um den „kranken Mann“ mögli<ſt raſ< und ſ{<merzlos in's Jenſeits zu befördern und ſeine Verlaſſenſchaft brüderlih zu theilen, dann ſollten die Bewohner der Schwarzen Berge den großen Kampf des Oſtens einleiten. Von der Newa her würde der Befehl ergehen, auf einen Wink des „weißen Väterchen“ (wie der ruſſiſche Czar dort genannt wird), die Schaaren Nikolaus’ würden dieStreitaxt wieder ausgraben, welche ihnen der geniale ODmer Paſcha und ſein Muſchix (Obergeneral) Derwiſch Paſcha vor cinem Jahrzehnt aus der Hand geſchlagen. Ohne diplomatiſchen Notenwechſel und ohne Kriegserklärung ſollten die Stuten knallen und die Kugeln den geſ<horenen Turbanträgern um die Ohren ſauſen. Die Pforte würde, man ſah das voraus, an jenem Tage nicht blos ein Armeecorps, \ondern ihre ganze Heeresmaht ſammt den Redifs (türkiſche Landwehr) unter die Fahne rufen. Der Divan in Stambul wax niht im Zweifel, daß der erſte Schuß in den Schwarzen Bergen an allen E>en und Enden ein vieltauſendfahes Echo finden würde. Bosnier, Albaneſen und Bulgaren, all’ die intereſſanten“ Völkerſchaften des Orients lauſhten ſehnſüchtig auf das Zeihen zum Befreiungsfrieg; Serben und Rumänen würden an dem Kreuzzug theilnehmen, um ihre volle Unabhängigkeit zu erringen, Wie in einem Kunſtfeuer-
werk würde eine Rakete ſi< an der anderen entzünden, ein Schwärmer nah dem anderen losbrennen und das Schlußtableau des magiſchen Schauſpiels ſollte der Welt vielleiht den Zuſammenſturz eines großen Reiches zeigen.
Oeſterreich hatte wohl keinen Grund, das Eintreffen dieſer Kataſtrophe zu beſ<leunigen, aber wie die Dinge ſtanden, war vorauszuſehen, daß es ſiherli<h auh niht einen Finger rühren würde, um ſie zu verzögern. Die leitenden politiſchen Kreiſe befliſſen ſi< zwar einer ſtreng loyalen Haltung, aber ſie machten andererſeits kein Hehl daraus, daß ſie von der Löſung der orientaliſhen Frage Vortheile mannigfaher Art für Oeſterreih erwarteten. Sogar ſtolze Träume von einer Gebiets8vergrößerun g durchzogen, wie es ſchien, die Köpfe unſerer Diplomaten. Fn officióſen Blättern hörte man wie eine ewige Melodie beſtändig über den ſ{<malen Leib Dalmatiens Klage führen. Dieſe arme Provinz könne ohne Hinterland niemals auf einen grünen Zweig gelangen, man ſehe alſo, daß man die Herzeg 0wina wie einen Biſſen Brot brauche. Das Verhäſtniß zwiſchen Oeſterreih und der Türkei hatte ſih ſo unerqui>lich geſtaltet, daß die wechſelſeitige Abneigung und Gereiztheit ſelbſt im diplomatiſchen Verkehre zu Tage trat.
Je ſ<le<ter Oeſterreih aber zu der Pforte ſtand, deſto holder ſchienen ihm ihre Vaſallen. Der Fürſt von Montenegro beeilte ſi<h, dem Herrſcher Oeſterreichs an der Spitze ſeiner Wojwoden und Archimandriten entgegenzuziehen ; er huldigte in Franz Foſef einem ſeiner drei faiſerlihen Protectoren. Die öſterreihiſhe Militärcapelle ſpielte dabei die montenegriniſche Volkshymne, von deren Exiſtenz die Welt bisher leider gar nihts erfahren hatte. Der
Kaiſer hielt — charakteriſtiſch genug für die Lage — an dex Grenze eine Revue über die
tapferen Gebirgsſöhne der Shwarzen Berge ab.
Jn Raguſa erwartete den Kaiſer eine türkiſ<e Deputation. Nicht nur, daß die Stadtbehörden von Raguſa beim Empfange derſelben gefehlt haben, ſie hatten es ſogax unterlaſſen, für die Mitglieder der Deputation, welche auf Wunſch des Monarchen während ihres Aufenthaltes als Gäſte des Kaiſers anzuſehen waren, Quartiere in Bereitſchaft zu ſeßen. So ſtark alſo ging der gemeinſame Zug der ſüdſlaviſ<hen Bewegung mit ſeinen, ſi<h über die Grenzen hinüberſ<hlingenden Tendenzen und Gefühlsſtrömungen, daß ſelbſt die Rückſicht für den Monarchen nicht ſtark genug war, ein faſt officielles Demonſtriren derſelben hintanzuhalten und den gewöhnlihen Geboten der Gaſtfreundſchaft Beachtung zu verſchaffen.
Die vorerwähnte türkiſhe Deputation, welche den Kaiſer Fran z Joſef in Naguſa erwartete, fand angeſihts des in Conſtantinopel