Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, стр. 629

herabflehen, ertheilen Wir ihnen den Befehl, die Grenze der Türkei zu über<hr erten.

Gegeben zu Kiſcheneff den 12. (24.) April des Jahres der Gnade 1877, im 23. Fahre Unſerer Regierung.

Gez. Alexander.“

Der diplomatiſche Verkehr zwiſchen Rußland und der Pforte war abgebrohen; am 23. April 1877 fuhr um zwölf Uhr Mittags der ruſſiſche Geſchäftsträger Nelidoff nah der Pforte. Er überreihte ein Schriftſtü> über den Abbruch der diplomatiſhen Beziehungen, und fügte mündlich hinzu, daß er mit dem Botſchaſtsperſonal noh an demſelben Tage die Rü>kreiſe nah Rußland antreten werde, worauf ihm daun Safvet Paſcha, ſchnell gefaßt, die Hand zum Abſchied reihte und eine glü>lihe Fahrt wünſchte. Um 2 Uhr fand die Uebernahme der ruſſiſhen Conſulatsgeſchäfte dur< die deutſhen Conſuln ſtatt. Graf Radolinsky in Begleitung des Botſhaftsdragomans Herrn Teſta verſ<hwand im ruſſiſchen Conſulat; ihnen folgte der deutſche Conſul Gillet na<h und hinter ihm mit ernſter Amtsmiene der erſte Conſulatsſecretair Herr Rohrſto>, um das längſt vorbereitete Fnventar des Archivs und ſämtlicher Depoſiten in Empfang zu nehmen. Gegen fünf Uhr erſchienen die Galawagen vor der Botſchaft. Das Perſonal, das in der ruſſiſhen Capelle ein Abſchieds-Tedeum geſungen, ſtand im Reiſekoſtüm bereit, und während Einer nah dem Anderen einſtieg, kletterten einige zehn Hamals (VLaſtträger) auf das Gitter des eiſernen Thores und bede>ten die ruſſiſchen Wappenſchilder und die beiden kaiſerlihen Adler zu beiden Seiten mit düſter-{<warzen Wachsleinwand-Ueberzügen. Lettere follen no< aus dem Krimfkriege ſtammen und na< Beendigung desſelben als hiſtoriſche Reliquien aufbewahrt worden ſein, bis ſie zuleßt der Umſchwung der Zeit aus der modrigen Vergangenheit in die friſhe Gegenwart wieder hinauszog. Den großen Adler auf dem Gebäude ſelbſt hatte man ſhon früher abgenommen. Unter den freudigen Hurrah-Rufen der Softas und Ulemas, die vor dem Thore der Abreiſe harrten, verließen die Wagen die Botſchaft und fuhren hinab na< Sali-Bazar am Bosporus, wo der „Eiriklyk“ und der „Argonaut“ vor Anker lagen. Jn der Botſchaft blieben nur der Portier und die levantiniſhen Dienſtleute zurü>, die niht ruſſiſche Staatsangehörige waren. Der renommirte Hofphotograph Abdullah hatle ſhon Tags vorher das geſammte Perſonal — es waren 42 Köpfe — in einer Gruppe zuſammen aufgenommen und kam, um ſeinen Gönnern Lebewohl zu ſagen. Von Diplomaten war nur der perſiſche Geſandte Mohſin Kan erſchienen.

Die deutſchen Conſuln übernahmen die Vertretung der Rechte und den Schuß der ruſſiſchen

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Unterthanen im Türkiſchen Reiche. Daß übrigens in der Provinz die von dem Deutſchen Reiche übernommene Wahrnehmung der ruſſiſchen Fntereſſen keine ſehr leihte Aufgabe ſein werde, ließ ein Vorfall von Kars ahnen, wo der ruſſiſche Conſul fi< gegen den Angriff einer aufgeregten Volksmenge oder Soldateska zu vertheidigen hatte.

Das erwähnte Schriftſtü> über den Abbru<h der diplomatiſhen Beziehungen war eine Note, welche der Reichskanzler Fürſt Gortſchakoff an den türkiſhen Geſchäftsträger Tefvik Bey am 12. (21.) April 1877 richtete, und es lautete: ;

„Nachdem die ernſten Erörterungen zwiſchen der fkaiſerlihen Regierung und der Pforte in Betreff einer dauernden Pacification des Orients niht zu der erwünſchten Einigung geführt haben, ſieht Seine Majeſtät, mein exlauchter Gebieter, zu ſeinem Bedauern ſi< genöthigt, ſeine Zuflu<ht zur Waffengewalt zu nehmen. Haben Sie daher die Güte, Jhre Regierung zu benachrihtigen, daß vom heutigen Tage ah Rußland ſi<h als im Kriegszuſtande der Pforte gegenüber befindli<h erachtet. Die erſte Folge davon iſ der Abbruch der diplomatiſchen Verbindung der beiden Länder. Jch erſuche Sie, mir gefälligſt die Anzahl und die Rangſtellung der Perſonen anzeigen zu wollen, aus welchen die ottomaniſhe Botſchaft in Pétersburg beſteht, damit ihnen die nöthigen Päſſe zugefertigt werden können. Was die in Rußland befindlichen ottomaniſchen Unterthanen angeht, ſo ſteht es denſelben frei, dies ungehindert zu thun. Diejenigen, wel<he vorziehen ſollten, zu bleiben, dürfen ſi< des vollen Schußes der Geſetze verſichert halten. — Gortſchafko ff.“

Zu gleicher Zeit richtete Fürſt Gort ſch akoff ein Cirxcularſhreiben an die xuſſiſ<hen Botſchafter in Berlin, Wien, Paris, London und Rom folgenden Fnhaltes :

„Das fkaiſerlihe Cabinet hat ſeit dem Beginne der orientaliſchen Kriſe alle Mittel feiner Gewalt erſ<höpft, um unter Mitwirkung der Großmächte eine dauerhafte Pacification der Türfei herbeizuführen. Alle in Folge des zwiſchen den Cabineten der Mächte hergeſtellten Einverſtändniſſes der Pforte nah und na< gemachten Vorſchläge ſind jedo<h auf unüberwindlichen Widerſtand der Pforte geſtoßen.

Das am 19. und 31. März d. J. in London unterzei<hnete Protokoll war der lebte Ausdru> des Geſammtwillens Europas. ‘Das kaiſerlihe Cabinet hatte dazu als zu einem letzten Verſöhnungsverſuche die Hand geboten. Dasſelbe hatte dur< eine dem Protokoll beigegebene Erflärung von - demſelben Tage die Bedingungen bezeichnet, welhe, wenn ſie loyal und aufrichtig von der türkiſ<hen Regierung angenommen und ausgeführt würden, geeignet waren, die Wieder-