Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, стр. 632

reißend, und das Fahrwaſſer frei; das rechte Ufer iſt eben und geht, ſih ſanft hebend, in eine waſſerarme große Sandebene über.

Das linke Ufer dieſer Stelle gegenüber iſt höher gelegen als das rete, und dieſer Punkt wärc dann auh der einzig geeignete, um die Ausſchiffung einer größeren Truppenmaſſe dur Artilleriefeuer zu unterſtüßen und na<h der Ausſchiffung dieſelbe {nell zu entwi>eln. Von hier an bis Braila iſt dagegen wieder an keinen Uebergang zu denken, da zwiſhen der Donau und dem Matſchin-Arme eine drei bis vier deutſche Meilen lange breite Sumpfwildniß liegt, die ſelbſt für den Einzelnen unpaſſirbar iſt. Dagegen wäre Bra ila gegenüber, bei der Mündung des Mat ſcin-Canales, ein ähnlicher, dur<h das hochgelegene Braila ſelbſt gede>ter Uebergangs8punkt für die Ruſſen, wie bei Hirſowa. Dieſe beiden genannten Uebergangspunkte durch eutſprehende Streitkräfte zu de>en, mußte demnah eine Hauptſorge der türkiſhen Kriegſührung ſein.

Von der Felimihßa-Mündung bis Galaß dominirt beinahe dur<hwegs das höher gelegene linke Donauufer; es ſind hier nur zeitweiſe Flußthäler eingeſchnitten. Von Galaß bis Reni iſt Tiefebene, von hier bis J8mael abwechſelnd Sümpfe, Seen und ſenkre<ht auf den Strom laufende niedrige Hügelreihen. Von der Mündung des Matſchin-Canals an iſt das re<te Flußufer ziemli< ſumpfig und unwegſam. Dagegen zieht ſich, der Mündung des Pruth gegenüber, mitten dur< den Sumpf ein breiter, erhöhter, den Ruſſen wohl bekannter Naturweg bis Garbona und von da in die Hochebene. Bei Jſaktſha zieht ſi< die Tavsan - Hügelkette (Haſenberge) - bis an den Fluß; von hier bis Tultſcha iſt die Uferbeſchaffenheit ähnlih wie unterhalb Ruſtſchuk; hier treten die Babadagh(Altweiber) Berge wieder ganz an die Donau. Da die Hochebene der Dobrudſcha beim gänzlichen Mangel an. Waſſer und allem zum Unterhalte Nothwendigen den Durchmarſch eines großen Heeres nicht geſtattet, die Oſtſeite dur<h Sümpfe ungangbar iſt, ſo ſtand zu vermuthen, daß die Ruſſen, ob ſie nun den Uebergang der Mündung des Pruth, oder Braila gegenüber, oder unterhalb Hirſowa, - oder an dieſen drei Punkten zugleich verſuchten, ſi<h immer am re<ten Donauufer an der Weſtſeite der Dobrudſha vorwärts bewegen würden, um vor die, allerdings von den Türken - in leßter Zeit tüchtig befeſtigte Linie Czernawoda-Medſchidje- Küſtendſche zu gelanzen, die ſ{<on zur Zeit der Römer eine große ſtrategiſche Bedeutung hatte.

Außer den beiden Punkten bei Hirſowa und Braila, welche ſih für- eine Ueberſchiffung grö ßerer Truppenmaſſen unter dem Schuße von

Zimmermann, Geſch. des orient. Krieges.

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Artillerie und für ſofortige Entwi>klung der Truppen eignen würden, fonnten die Ruſſen noh verſuchen, mit kleineren Truppenabtheilungen ohne Artillerieſ<uß den Strom zu paſſiren bei Esfi-Kujaly, Garbona, Jſaktſcha und Tult <a. i

That jedo<h die ſtarke türkiſ<he DonauPanzerflottille, verſtärkt dur ſeihtgehende, reſpectable Küſtenvertheidigungs - Panzerſchiffe, ihre Pflicht, ſo war ſelbſt, wenn die geeigneten Unterſtüßung8punkte des linken Ufers von den Ruſſen mit Feſtungsartillerie beſtü>t würden, ein Ueberſchreiten des Stromes mit der allergrößten Schwierigkeit verbunden, da man {on dur< Rinnenlaſſen von Flößen und - beladenen alten Schiffen jeden Brückenſchlag zerſtört, das Ueberſeßen mit kleinen Fahrzeugen aber ſelbſtverſtändlich zeitraubend und niht immer gefahr-

los iſt.

Was die ruſſiſ<hen und türkiſchen auf der Donau zu verwendenden Streitkräfte betraf, ſo war der Stand derſelben ſür die Türken unverhältnißmäßig günſtiger als für die Ruſſen. Dieſe hatten an Fahrzeugen in der Donau etwa 90 Stü> Remorqueurs (Borer) und 120 bis 150 Schleppboote; dieſe leßteren gehörten griechiſchen, walachiſchen, ruſſiſchen u. ſt. w. Kaufleuten und: waren mit Beſchlag belegt - die Flottille des Schwarzen Meeres beſtand aus 2 Panzer-Popoffla zu zwei Geſchützen, ein no< unerprobtes neues Geſchüßſyſtem, 4 kleineren Holz-Corvetten, 7 Aviſo-Dampfern und Yachten, 10 fſeinen Transport-Dampfern und war in den ſihern befeſtigten Häfen der Krim.

Die Türken hatten an Fahrzeugen in der Donau: 4 ſtarke gepanzerte Kaſemattſchiſfe, jedes mit 5 \{<weren Geſchüßen, Tiefgang 3*/z Meter bis 4 Meter, die bei günſtigem Waſſerſtande bis Oltenißa donauaufwärts konnten; 8 gute Monitors zu 2 Geſhüßen, Tiefgang 2 Meter, die daher bis Turn-Severin konnten; 5 Holz-Kanonenboote zu 5 kleinen Geſhüßgen, 1/7, Meter Tiefgang. Außerdem konnten die Türken, da fie das Schwarze Meer in Händen hatten, immer einige von ihren 70 ſtarken Transport-Dampfern und Yachten in die Donau ſci>en.

Die tiefſte Grabesſtille herrſchte unter dem vor wenig Monden noch ſo gewerbſleißigen Handelsſtande Widdins. Die Verkaufsläden waren größtentheils geſchloſſen; umſonſt krächzten die Chodſchas allabendli< im Vereine mit den Muezzies von den Minarets herunter, um die ſäumigen Gläubigen zum Gebete zu laden, in den Moſcheen war Mihrat und Mesli verreiſt und in ihren Hallen tönte es von Sporengeklirre und Waffengetöſe wider, Das luſtige Völkchen der Fiſcher, welche ſonſt alltäglich mit munteren Liedern auf ihren {mu>en Kaïfs hinausgefahren waren, die gewaltigen Hauſen zu fangen, ho>te mißmuthig

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