Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel
ſchaft mit den Damen. Das Souper war an kleinen Tiſchen, deren es unzählbare gab; das Ganze war überaus prachtvoll. 12, Januar.
Heute ging ih zum erſten Mal ein Bischen in dex Stadt umher mit der jungen Gräfin Lieven, und hatte den Eindruck, daß ſie immens groß und weitläufig iſ. Jh ſah die ſhönen Paläſte der Nariſchkin, das Marmorpalais, wo Großfürſt Conſtantin wohnt, und von fern übex dex Newa thronend das Michailowski’ſche Palais, wo Kaiſer Paul ermordet wurde, ſodann die Feſtung mit der Alexander= Newski-=Kixche, wo die Kaiſer begraben werden. Die Häuſer ſehen alle aus, wie Paläſte, ſo ſ<hön und ſtattlich ſind ſie, und ſo gleihmäßig gebaut, und von einer Sauberkeit, als wären ſie eben exſt fertig geworden. Die Quäls, die Prome-= naden, Alles iſ mit tiefem, tiefem Schnee bede>t und leuchtet blendend weiß in der Sonne. Wieder FamilienDiner bei der Kaiſerin-Mutter. Es wax heute der hieſige Sylveſter - Abend und zugleih der Vorabend der Verlobung der jungen Großfürſtin. Dex Kaiſer ſchenkte mix auf eine ſehr liebenswürdige Art zwei türkiſ<he Shawls. Abends war eines Souper bei der Kaiſerin.
13, Januar.
Um 11 Uhr fand in dex Schloßkixche die große Ceremonie der Verlobung dex Großfürſtin Catherine ſtatt, die Verlobten ſtanden auf einer mit rothem Sammet beſchlagenen Eſtrade, mit den brennenden Kerzen in der Hand; der Groß-= Almoſenier in ſeinem biſchöflichen Ornat vollzog die Cere= monie, natürli<h Alles in ruſſiſcher Sprache. Ex ſegnete die Kerzen der Brautleute und Beide küßten das Krucifix und die Hand des Prieſters; dann wechſelte die Kaiſerin-Mutter