Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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10. März.

J<h ging ganz früh ſhon zur Königin und ſchenkte ihr ein hübſches Schreibzeug und eine Nuß mit goldenen Näh-= utenſilien darin. Wir hatten ein ganz großes Diner an zwei Tafeln, Abends gab die Stadt einen ſehr ſ{<önen Ball im Saale der Börſe; auh wax die ganze Stadt illuminirt.

11. März.

Mein alter Geburtstag. Heute bin ih achtzig Jahre alt geworden, die dex barmherzige Gott mich hat aus Gnaden erleben laſſen! Wenn ih denke, wie dies Leben uns tie ein Traum vergeht, und doh auh alles Unglücks und aller Traurigkeit gedenke, die i< dur<lebt habe, kann ih mix niht genug ſagen, daß Alles, was Gott uns ſchi>t, nur für unſer wahres, das heißt für unſer zukünftiges und ewiges Heil ſo geordnet iſ! —

Seit den drei Jahren, daß unſere armen theuren Herr. ſchaften dur<h dieſen verabſheuungswürdigen Corſen das Unglaublichſte leiden, iſ mein Herz ſehr kummervoll und gebeugt. Wenn nux no< eine Hoffnung, ein Lichtſtrahl uns bliebe, daß es wieder anders werden kann — aber ſo lange dieſer Elende zum Verderben der Menſchheit lebt, iſt nichts für uns zu hoffen! —

Es heißt immer, die Oeſterreicher wollten ſih ſ{<lagen, aber ſie thun es niht, und ah, bei uns iſ eine ſolche Entmuthigung, wix faſſen niht einmal den Entſchluß, endli<h doch wieder in die Hauptſtadt zurückzukehren! —

Man überhäufte und beſhämte mich heute wahrhaft mit Liebe und Freundlichkeit, bei Tiſch war Muſik, ih ſaß zwiſchen beiden Majeſtäten, man trank meine Geſund-= Yeit und erwies mix den ganzen Tag über nur Ehre und

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