Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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den Tod vor Schre gehabt und konnte mich zuerſt gar nicht faſſen, ſtand gleich auf und eilte zu meiner geliebten Königin, die ih leider ſehr ſhwac<h fand, aber das Kind iſt groß und ſtark. Gottlob, daß ſie Alles gut überſtanden hat! —

Nach einer Viertelſtunde ging ih wieder in mein Zimmer; ih konnte aber doh die nöthigſten Briefe ſ{hreiben und auch an die beiden Kaiſerinnen.

7, November.

Nach der Tafel führte die Königin die kleine Prinzeß Charlotte zu mix, die mi bat, ihr das Vorrecht abzutreten, bei der morgenden Taufe das Kind zu den Pathen zu tragen. Natürlich ſagte ih ja, obgleih es im Grunde nicht richtig iſt; mit 11 Jahren, ohne Schleppe, in einem Kinderkleid iſt das noh zu früh, aber man muß eben denken, daß wir noh in Königsberg ſind, und es niht ſo genau mit der Etiquette nehmen! — Herr von Rauch kam aus Berlin und kann den allgemeinen Rauſch und Jubel niht genug ſchildern, den die endlihe Gewißheit der Rückkehr der Majeſtäten hervorgerufen hat.

8. November.

Tauftag des fleinen Prinzen. Die Miniſter, Generale und geheimen Staatsräthe waren geladen, auh die Vornehmſten aus dem Adel, und die Feier war ſehr ſ{hön und feſtlih. Der kleine Prinz wird Albrecht genannt werden. Wir waren in Schleppen ; nach der Taufe wax Herren-Cour; ich war dabei, aber zog mich bald zurü>, denn ih kann no< nichts aushalten. Die Majeſtäten gaben mir ein ſehr ſ{önes Perlen - Collier, ein Medaillon von Brillanten und dazu Smaragd-Ohrringe; die Gräfin Truchſeß bekam eine goldene Kette und Gräfin Tauenzien zwei Armbänder.