Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

Mythus vom Anthropos. Schlüsse. 109

Kenntnis stammen, jeder stichhaltige Grund. Eine Bestätigung gibt Bitys, der die “Av@pwrroc-Lehre bei Chaldäern, Parthern und Medern, allerdings auch bei den Hebräern gefunden haben will. Daß diese Lehre ungefähr zu derselben Zeit wie die Lehre von der eiuapuevn in das Judentum eindrang'), brauche ich nach den überzeugenden Darlegungen Boussets®) nicht mehr mit eigenen, doch nur unzulängliehen Sammlungen zu belegen. Ich lege Gewicht darauf, daß theologische und philologische Untersuchungen ganz unabhängig voneinander zu genau dem gleichen Resultate geführt haben, und halte die Frage, ob echt chaldäische oder in Babylonien angenommene persische Vorstellungen zu Grunde liegen, für nebensächlich; es scheint nicht nur eine Form dieses Mythus gegeben zu haben.

Die Naassener-Predigt erwähnt als „assyrische“ Fassung derselben Sage einen Mythus von Oanes, dem babylonischen Spiegelbilde des ägyptischen Thot.”) So schildert ihn wenigstens Berossos (Fr. 1 Dübner); er lehrte die Menschen ypauuarwv kai uaßnudrwv Kal TEXVWY TAVTOdATWV Eueipiav Kal TTÖAEWV CUVOIKICUOUC Kal iepWv lÖpVceic Kai vöuwv eienynceic Kai Yewuerpiav. Wenn wir weiter hören, daß er auch Offenbarungsgott war und bestimmte Nachfolger hatte, die das von ihm kurz Verkündete weiter erklärten, werden wir kein Bedenken tragen, die Ausgestaltung der Oanes-Lehre, die m. W. in Babylonien in älterer Zeit nicht nachzuweisen ist, auf ägyptische Einflüsse zurückzuführen, die schon vor Alexanders Zeit nach Babylon hinübergewirkt haben müssen. Wenn eine Form der “Avöpwrroc-Lehre sich an Oanes heftete*), so ist besonders leicht verständlich, daß sie sich nun in einer Art von Gegenströmung auch auf sein ägyptisches Urbild Thot übertrug.

Wichtig ist ferner, daß für diesen hellenistischen Mythus die

1) Vorher findet sich allerdings schon eine Anspielung bei Ezechiel 28, 12.

2) Die Religion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter S. 248 ff. und 346 ff.

3) Es ist charakteristisch, daß schon Philon (Pit. Mos. I 5) seinen Helden außer der Weisheit der Ägypter und der &ykuxkıoc maıdela der Hellenen auch Ta re ’Accbpıa Tpdunarıa kai Tv TWy oupaviwv Xakdaikiv Emiernunv lernen läßt,

4) Hierauf weist vielleicht auch die Bezeichnung des „Menschen“ im IV. Esra-Buch als vir ascendens de corde maris oder homo qui ascenderat de mari. Aus dem Meere steigt ja Oanes auf.