Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

110 III. Grundvorstellungen des Poimandres.

Vorstellung der Doppelgeschlechtlichkeit des „Menschen“ erwiesen ist. Sie tritt uns bekanntlich sehr stark im Talmud'!) und dem jüdischen Mystizismus entgegen, ohne daß wir in ersterem Einwirkungen Platons annehmen dürfen. Bei einem hellenistisch-babylonischen Mythus dürfen wir es ebenso unbedenklich wie bei den hellenistisch-ägyptischen Mythen tun; irgendwelche mythologische Vorstellungen werden natürlich mitgewirkt haben.’) Das ist wichtig für die Beurteilung der Stellen, an welchen Philon von dem npW&toc ävepwrroc spricht. °) Eine Benutzung des hellenistischen Mythus scheint um so weniger zu bestreiten, als Philon nicht nur die Doppelgeschlechtlichkeit, sondern auch die Scheidung des himmlischen und irdischen Adam und die Gleichsetzung des ersteren mit dem Noüc (bezw. dem Aöyoc) angenommen hat.*) Vielleicht läßt sich der dem Poimandres vorausliegende Mythus sogar noch weiter in Andeutungen bei ihm verfolgen.

Die Einheit des Menschengeschlechtes war für den Stoiker durch den allen gemeinsamen Besitz des öp8öc Aöyoc, für die jüdische Überlieferung durch die Abstammung aller Menschen von dem einen Menschenpaare Adam und Eva gegeben. Es ist sehr beachtenswert, daß Philon einmal, indem er gegen die Annahme eines verschiedenen Ursprunges der verschiedenen Völker Einspruch erhebt, sieh nicht auf Adam, sondern auf jenen Gottmenschen beruft): Eva kai TOY AOTÖV Ermiyerpauuevor TATEPA OV dvntöv, ANA dhavarov, dvdpwrov BeoD, Öc ToD didiou Aöyoc Wv EE Avärknc Kai aUTÖC Ecrıv KPBapToc

1) Vgl. z.B. Bereschit Rabba (übers. v. Wünsche S. 30): Nach Rabbi Samuel bar Nachman hatte der erste Mensch bei seiner Erschaffung zwei Gesiehter; Gott zersägte ihn aber in zwei Hälften und bildete zwei Rücken aus ihm, einen nach dieser und einen nach jener Seite hin. Weitere Stellen bei Dreyfus a. a. ©. S. 15.

2) So erwähnt Berossos (Fr. 1), freilich in anderer Verbindung, die Vorstellung von menschenartigen Fabelwesen: cwua Exovrac Ev, kepuküc dE duo, avdpeiav kai Orikcıav kai aldoia diccd, üppev TE Kal HnAu.

3) Vgl. besonders De opif. mundi $ 134. Der Unterschied, daß Philon oür’ üppev oüte OrjAu sagt, also eher von Geschlechtslosigkeit als von Doppelgeschlechtlichkeit spricht, dünkt mir kleiner, als er Wendland (Jahrb. f. Phil. Suppl. XXII S. 705) schien. Auch Attis ist ja mit diesem mpWroc äv&pwrmoc identifiziert worden, und nicht um eine einfache Übernahme, sondern um eine Anlehnung an einen Begriff der hellenistischen Theologie handelt es sich; zur Sache vgl. Bousset a. a. O. 347.

4) Leg. alleg. 1 88—96; 53 Cohn.

5) De conf. lingu. 411 und 427 M.