Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

172 V. Ausbreitung der Hermetischen Literatur.

soll, nieht zu den Menschen.!) Die Menschengattung ist aus den vier Elementen zusammengesetzt und aus der Verbindung von Stoff und Form gebildet.®) So steht sie in Widerspruch zu den geistigen Wesen, die reine Form sind. Die Elemente sind unter sich nur zum Teil vereinbar, zum Teil uneinig. Daher die Zerstörung und Verderbnis. Der Stoff, die Materie, ist die Wurzel des Bösen und die Quelle der Verderbnis; sie hat defektive Natur; ihr entspringt Torheit, Unwissenheit, Mangel; die geistigen Wesen haben positive Natur; ihnen entspringt das Gute, Weisheit und Erkenntnis. Die Menschenseele hat die beiden Vermögen des 8uuöc und der &mdunia; sie fehlen den geistigen Wesen, die nur zu Gott streben und um ihn sind. Ihre Welt ist der Ort der Rückkehr der Geister; denn von ihm gehen die Seelen aus, und zu ihm kehren sie gereinigt zurück. Die Vollkommenheit liegt in dem Abtun jeder Hülle (alles Materiellen). Wenn Hermes dennoch für die schwachen irdischen Menschen die Verfertigung von Götterbildern, die nur die Behausung der Geister sind, befohlen und ihren Kult gezeigt hat, so erkennen wir deutlich den Einfluß der hellenistischen Literatur und vergleichen die früher besprochene Inschrift von London und die Lehre des Tat an König Amon (vgl. im Anhang Kap. XVI]).

Hiermit ist m. E. im Grunde schon erwiesen, daß die arabische Hermes-Literatur, von der bisher wenig bekannt ist?), eine Fort-

1) Als „der Mittler“ tritt in dem ganzen Gespräch Hermes auf. Einwirkungen christlicher Ideen wird man zugeben können. Aber „der Mittler‘ ist im Grunde auch der Anonymus im Poimandres und Hermes im XII. (XIV.) Stück. Die frühzeitige Angleichung des Hermes und Christus beruht darauf. Der Mittler (uecitnc) ist ferner Mithras (Plut. De Is. et Os.46). Die Vorstellung von einem göttlichen Mittler und Erlöser findet sich auch im Hellenismus.

2) Ebenso offenbar der aicOnrtöc köcuoc, vgl. oben S. 44 A. 1.

3) Außer der von Bardenhewer mit erstaunlich minderwertigen Gründen als christlich bezeichneten Unterhaltung des Hermes mit der Seele (vgl. S23 A. 5) ist mir noch eine kurze Erwähnung einer arabischen Handschrift des XI. Jahrhunderts aus der Bibliothek der syrischen Gesellschaft in Beyrut No. 601 bekannt (Sprenger, Hebr. Bibliographie V 90). Der Titel lautet: „Das Buch des Wundervollen, der Gnade (Barmherzigkeit) und das goldene von Idris“; der Anfang: „Es wanderten meine Gedanken in der Größe Gottes“ läßt sich mit dem Anfang des Poimandres und mit Hermas Vis. I 1, 3: do&dlovroc TAac Kriceic ToU HeoO Wıc neradaı Kai Ermpereic kai duvaral eicıv vergleichen; den Schluß bilden sieben „Reden“. Auf christlichen Ursprung hat man — wohl etwas vorschnell aus einer Erwähnung der Schlingen des Satan (Dämon) geschlossen. Schwieriger

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