Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

€. Hermes und Augustus. 177

ocior aura

tollat; hie magnos potius triumphos, hie ames dici pater atque princeps, neu sinas Medos equitare inultos te duce, Caesar.‘)

Allbekannt und von allen Erklärern angenommen ist die Deutung zweier großen Philologen, der italische Mercurius, der Gott der gewerbtreibenden kleinen Leute sei hier gemeint; sie hätten sich zuerst an Oktavian angeschlossen, ihr Gott sei er geworden. Der Gedanke ist wunderhübsch — aber paßt er zu den Versen des Horaz? Und ist es überhaupt eine italische oder griechische Vorstellung, daß ein bestimmter Gott niedersteigt, die Gestalt eines bestimmten Menschen annimmt und dann nach Entsühnung der Erde zum Himmel zurückkehrt??) Orientalisch ist dieser

1) Die drei Strophen treten als feste Einheit den drei vorhergehenden gegenüber. Welches Gebet, welche Sühnung kann retten? So hatte der Dichter gefragt; die Antwort gehtvon dem Staatskultaus. Der Sühngott ist nach griechisch-römischer Vorstellung Apollo; ihm kommt die Aufgabe scelus expiandi zunächst zu. Unsichtbar (das heißt vepeAn eiAuuevoc dhuoucll. 5,186) sollerniedersteigen und selbst die heilige Handlung vollziehen. Von hier aus ist auch Tibulls Flehen (II 5, 79) zu verstehen: sed tu iam mitis, Apollo, prodigia indomitis merge sub aequoribus (wit Absicht sind vorher die Prodigien erwähnt, welche dem Bürgerkrieg tatsächlich vorhergegangen sind; das neue saeculum stand bevor). Unsichtbar hat nach der Verkündigung der Sibylle Apollo ja bereits die Schicksalslenkung über dieses Geschlecht übernommen (tuus iam regnat Apollo). Dieser Apollo aber ist auch der Schutzgott des Kaisers; so deutet Horaz auch auf die Möglichkeit, daß die göttliche Stammmutter des julischen Geschlechtes die Leitung übernimmt (daß Venus Eryeina als Sühnerin und Helferin in der Not nach Rom gerufen war, mochte einen Anhalt mit bieten, war aber nicht bestimmend). Der Venus wird als Ahnherr des Volkes Mars beigefügt, dem als Ultor sceleris Octavian den Tempel gelobt hat und der nun gesättigt sein kann an dem grausigen Schauspiel und Frieden geben (auch er hat seinen Tempel extra portam Capenam auf Befehl der Sibylle empfangen). Auf den Kaiser ist bereits hingedeutet, soweit dies in dem Anschauungskreise heimischen Glaubens geschehen konnte. Wenn jetzt Horaz in drei weiteren Strophen eine diesem Kreise völlig fernstehende Gottheit einführt und einen Wechsel der Anschauung in den Worten mutata figura iuvenem imitaris so stark hervorhebt, so sind wir berechtigt, eine neue Grundauffassung, eine neue Theorie der Erlösung in seinen Worten zu suchen.

2) Selbst der Kult eines ’Avrioyoc ’AnöAAwy Zwrnp oder ’*Eripavic Aıdvucoc, Zekeukoc Zeuc Nırdrwp u. 8. w drückt schwerlich ganz diese Empfindung aus,

Reitzenstein, Poimandres, 12