Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

Hermas und Poimandres. 13

Nun ist eine Benutzung der christlichen Schrift durch den Verfasser des Poimandres an sich wenig glaublich; noch unglaubhafter wird sie, wenn wir die Einzelheiten vergleichen. Die Beschreibung der Hirtentracht, die ausführlichen Wechselreden konnten bei dem Heiden, wenn er der Nachahmer war, schwerlich so spurlos verschwinden. Auf das umgekehrte Verhältnis zwischen beiden Schriften weist das Motiv der Verwandlung. Bei dem Christen ist es eine ganz sinnlose Maskerade'); bei dem Heiden ist es selbstverständlich, daß der Noüc, der ja das Licht ist, seine kosmische Erscheinungsform wieder annimmt. Unklar und verschwommen ist bei dem Christen ferner die Auffassung des Hirten. Bald erscheint er, wie der Engel oder Dämon, der nach heidnischer und jüdischer Anschauung dem einzelnen Menschen beigesellt ist — aber dann paßt der Name äyyeAoc TMc ueravoiac so wenig wie die gleich betonte Haupttätigkeit, das Geben der allgemeinen &vroAci, deren Schreiber Hermas ist?) —; bald erscheint er wie der allgemeine Spender der Offenbarung und Hüter der Kirche‘); aber dann paßt die rein persönliche Beziehung nicht, die ihm an anderen Stellen zu Hermas gegeben wird. Alles deutet darauf, daß hier ein fremder Typus ungeschickt in die christliche Offenbarungsliteratur übernommen ist. Alles wird, wenn ich nicht irre, verständlich, wenn wir von der heidnischen Fassung ausgehen und erst, wenn wir ihren Sinn festgestellt haben, zu der christlichen Nachbildung zurückkehren.

als dem guten Hirten erleichtert es nicht, sondern erschwert es. — Daß auch das spätere Judentum ein mystisches Werk „Der treue Hirt“ hervorgebracht hat, sehe ich aus Karppe, Etude sur les origines et la nature du Zohar p. 331 und 334.

1) Hermas erkennt den äyyeAoc trjc ueravotac erst nach der Verwandlung, über die wir nichts Näheres erfahren. Eine Einleitung, die für eine Vision gemacht war, ist für die „Aufträge“ ungeschickt zurechtgestutzt, und die Worte GmectäAnv Yap, gpnelv, iva ü eldec mpötepov miuvro cor dv deikw verraten, wenn man die Fortsetzung vergleicht, diesen Hergang noch deutlich.

2) Vgl. besonders Mandata XI 6,1: Erb de üniv Atyw 6 üpyekoc rc neravolac‘ un poßnönTe Töv diaßoAov. ÜmecrdAnv rap, pre, Med’ uuWv elvaı TÜy NETAVooUyrWv EE ÖöAnc Kapdiac aurWv Kal Icxupomomcaı abTouc Ev Ti Tieren, Hier erscheint der äyyeAoc ic ueravoiac ganz wie der Noüc später im Poimandres, der ja auch einem rıuwpöc daluwv entgegenarbeitet. Man vergleiche, wie die Baruch-Apokalypse die Engel der einzelnen Menschen von dem Offenbarungsengel scheidet.

3) Vgl. besonders Sim. IX 7.