Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

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Meer hineingekommen, und bei den Inſeln Solta und Brazza, noch mehr aber, als wir in höher wogenden Wellen das Vorgebirge von Leſina umſchifft hatten, ſtellte es ſih immer -deutlicher heraus, daß, wenn ſchon der ganzen Küſte von Dalmatien ein für die geographiſche Lage ungewöhnlich ſüdlicher Character zugeſprochen werden muß, dieſer in noh viel höherem Grade den jet erſcheinenden Jnſeln zuêam, welche, wie män mich verſicherte, Neapolitaniſches Klima und Vegetation darböten. Ueberraſchend genug waren mir die unabſehbaren, Feiner beſondern Pflege bedürfenden, zahlloſen Wein- und Mandelbaum -Pflanzungen und: das dichte Geſträuch der immergrünen Laubhölzer gewéſenz als wir aber in dem Canale zwiſchen den Jnſeln Leſina und Spalmadore durch die zahlloſen Felſeneilande hindurchgedrungen, endlich gegen die Fronte der Stadt Leſina ſelbſt uns wandten, fand mein Erſtaunen keine Worte mehr. Hunderte, Tauſende Exemplare der majeſtätiſhen Agave Americana (eine große Aloe-Art) ſtre>ten dicht vor der Feſtung, als Palliſaden gepflanzt únd von dort bergabwärts, aus ihrem gefahrdrohenden und undurchdringlich ſtachlichen Blättergefüge ihre langen, \<lanfen, ſenfre<hten Blüthenſtiele gegen den Himmel empor, in deſſen Glanze ſich bald ihre Pracht entfalten ſollte. Jh konnte nicht ſchnell genug vom'Schiffe kommen, und mit den nächſten Augenblicken, nach nöthigen Beſtellungen, war ich auch ſchon auf den Bergen. Zeit war nicht viel zu verlieren; nicht gepflú>t, ſondern gemebelt wurde hier unter den Pflanzen. Herr JFnſpector Mühleiſen half ſuchen und finden und noch zwei gefällige Officiere, welche ſich in freundlicher Begleitung uns angeſ{<loſſen hatten, zeigten ſo viel Neues und Ungewohntes, daß wir kaum mit Allem fertig werden konnten. Jn dem Gatten des Podeſta (Bürgermeiſter) von Leſina Herrn Caſſandrichwar eine Menge Pflanzen vereinigt und mit liberalſter Erlaubniß durfte ih brechen und pflü>en nah Herzensluſt. Auch das Volk hatte Antheil an dem Blumenreichthum der Jnſel. Leſinaër Mädchen trugen in ihren glänzend \{hwarzen, mit zierlichen Zöpfen umwundenen Haaren filberne Nadeln und feurige Granatenblüthen. Aber Poſten warten nicht! Unſer Poſthalter, der unruhige Graf, wollte ſeinen alten Ruf der Eile und Promptheit nicht verſcherzen, und wenn wir nicht in Leſina ſißen blei-