Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

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Uhr nicht geöffnet wurde, und ſo nahmen wir denn gemeinſchaftlich den Reſt des Gepäcks und zogen davon. Meinem Wirthe rief ih ein Lebewohl zu, allein er murmelte nur, \o daß das Klingen der Thürklinfke ihn wahrſcheinlih erſt zum Bewußtſein unſeres Abſchiedes gebracht haben mochte.

In den Straßen von Cattaro hallte der Schall unſerer einſamen Fußtritte wieder; zwei oder drei Perſonen ſchlichen \{weigend an uns vorüberz und nachdem wir v. Tſcheffins Wohnung, der wenige Minuten vor uns aufgebrochen, paſſirt waren, gelangten wir von den wachthabenden Soldaten durch die düſtern Hallen der Porta di Gurdiccio mit Blicken verfolgt, endlich in die reine friſhe Luft. Der Träger meiner Sachen, welchen, wie ih nun erſt bemerkte, mein etwas vornehmerer Pandure, um ſih der Mühe des Aufpa>ens zu überheben, geſchi>t hatte, kehrte, für ſeine Hilfe mit einem Trinkgelde gelohnt, nach der Stadt zurü>, denn das Maulthier ſtand bereits mit meinem Gepäke in einiger Entfernung auf dem Wege nach Scagliari (der nächſten Ortſchaft), wo es vor der Wohnung ſeines Herrn denſelben geduldig erwartete. Als wir dort eintrafen, erſchien er. Da es geſtern Abend ſhon dunkel geweſen war, ſo ſahe ih nun erſt, wen ih vor mir hatte. Es war ein rüſtiger ſchöner Mann. Sauber hatte er ſi< in reine Wäſche gebleidetz eine leine Morla>enmüße bede>te ſeinen Scheitelz ſeine Stirn war kühn und frei; unter den dunfeln Braunen ſahen zwei muntre kluge Augen hervor und ein fleiner Schnurrbart verde>te den ſchalfhaften Zug um ſeinen Mundwinkel. Seine kräftige Bruſt bekleidete eine rothe goldverbrámte Jacke, aus deren Aermellöchern das weiße faltenreihe Hemde über die Arme bis zum engen Schluſſe am Handgelenke hinabfiel. Blaue gewöhnliche Blouſenhoſen von orientaliſhem Schnitte *) waren unter dem Gürtel und um die Kniee befeſtigt, und wollene weiße Strümpfe **), die von der

%*) Sie reichen vom Oberleibe bis zu den Knieen, welche lestere ſie ſaéförmig umaeben, indem ſie oberhalb derſelben nicht getheilt ſind. %*%) Man fann die eigenthümlihe Bekleidung der Waden (vom Knöchel bis zum Kniegelenk) eigentlich ebenſo wenig Strlimpfe, als Kamaſchen, im gewöhnlichen Sinne, nennen, denn der Fuß bleibt von dieſer Bekleidung ganz frei. Es find nur Stücke Wollenzeug, deren Rändec