Битеф

nicht definiert. Der ist nicht da, um zu definieren, er ist da, um den Moment zu erleben, der stattfindet auf der Bühne, und wenn möglich soll der Zuschauer an diesem Moment teilnehmen. Ob der Moment interesant ist oder langweilig ist, das kann ich weder versprechen noch vorprogrammieren. Die Chancen sind, daß, wenn es ein Wildgruber ist, daß der Moment interessant und spannend ist, und wenn’s ein langweiliger Mensch ist, dann ist es ein langweiliger Moment Scheu, in die Arbeit einzugreifen Es ist also so, daß gegen früher eine Veränderung passiert ist in Ihrer Beziehung zu Schauspielern ? Nein, die Veränderung hat nicht in meiner Beziehung zu Schauspielern stattgefunden. Ich glaube, es hat sich bei den Mitteln und der Art und Weise mit Schauspielern zu arbeiten, ganz wesentlich etwas verändert. Ich habe früher sehr gerne vorgemacht, das hat mir viel Spaß gemacht, jetzt tue ich das fast gar nicht mehr. Und ich bin jetzt eigentlich immer scheuer geworden, überhaupt einzugreifen in die Arbeit. Ich such’ mir die Momente sehr genau aus und den Zeitpunkt sehr genau aus, irgend etwas sozusagen zu arbeiten wirklich, und tue das entweder, wenn ich merke, daß ein Schauspieler mit irgend etwas nicht fertig wird, das kann ja wohl sein, daß es einen Moment in einer Rolle gibt, wo der Schauspieler immer wieder versucht, versucht und nicht’ rankommt. Dann erzähle ich ihm Sachen, ich erzähl’ jetzt eher weniger, ich zeig’ ihm gerne Bilder, so assoziative Sachen. Ich bring’ immer haufenweise Platten und Bilder auf die Proben, und wir spielen sehr viel Musik und schauen uns Bücher an, und manchmal Bücher, die gar nicht direkt darauf bezogen sind, auf diese besondere Rolle zum Beispiel, aber wo ich das Empfinden habe, daß das irgend etwas damit zu tun hat und daß der Schauspieler über seine Intuition und seine hoffentlich sehr strake Intuition sonst wäre er sowieso kein Schauspieler für mich schon spürt, was ich da meine. Ich bin sehr ängstlich beim Definieren, weil ich das Gefühl habe, das Definieren in der Kunst also in der Kübstlerischen Arbeit zerstört, legt fest und zerstört dabei sehr schnell den Freiraum, der nicht festlegbar ist. Also wenn ich zum Beispiel jetzt um so ein praktisches Bespiel zu geben in den letzten paar Inszenierungen, so ist es auch jetzt bei » Othello « und so war es auch beim » Lear « also bei diesen beiden Inszenierungen habe ich nie Kostümentwürfe gehabt, da habe ich immer furchtbar viel Kostüme auf die Proben bringen lassen und die Schauspieler haben sich die angezogen, nach Wahl eigentlich und dann haben sie so ’rumprobiert. Wie man sich so verkleidet eigentlich, was der Urimpuls der Schauspielerei ist, nicht? Auf die Bühne gehen und was anderes sein. Und Sie hatten auch kein Bühnenbild, das vor der ersten Probe auch nur in Annäherung fertig war? Nein. Also bei dieser Sache, beim »Othello«, gar nicht. Beim » Lear « standen eigentlich nur sechs Kulissen. Und dann haben wir irgendwann mal entschieden, da müßte vielleicht noch eine Leiter hin oder so. Und wie funktioniert das, so eine Arbeit ohne Bühnenbild? Das Bühnenbild entsteht. Es entsteht durch Notwendigkeit. Ich arbeite ja mit einem Bühnenbildner, und der Bühnenbildner ist ständig bei den Proben es ist sehr anstrengend. Meinen

jetzigen Bühnenbildner, der bis jetzt immer nur Kostüme gemacht hat und hier beim » Othello « das Bühnenbild und die Kostüme mit mir macht, Peter Papst, der ist von zehn Uhr morgens bis zum Ende der Probe jeden Tag da. Er sieht alles, was passiert. Er nimmt teil an jeder Arbeit, auch an Textarbeiten, gerade beim »Othello«, haben wir tagelang nur Text gearbeitet, und umübersetzt und verändert und weiß ich was gemacht, da ist er auch dabei, obwohl es eigentlich direkt ihn nich betrifft, und er paßt auf, und er macht Vorschläge, und er merkt, daß sich da eine Rolle von einer kleinen Nutte in dem Stück in einer gewissen Richtung entwickelt und dann bringt er am nächsten Tag fünfzehn Hüte verschiedener Art und fünfzehn Röcke und fünfzehn Paar Schuhe und legt sie hin, und wenn das Mädchen sich nicht selber etwas anzieht, schlägt er es ihr vor. Aber die machen es schon alle von alleine, weil es ihnen nämlich Spaß macht, das gibt denen einen unheimlichen Spaß, glaube ich, am Spiel. Wildgruber ist immer eine dreiviertel Stunde früher da und malt sich an. Der hat sich von der dritten Probe an angemalt, in allen Variationen, die man sich vorstellen, kann, wie man sich als Neger anmalen kann. Da haben wir zum Beispiel festgestellt, daß die Schminke abfärbt. Und das ist ein ganz wesentliches Element dieser Inszenierung geworden, Heißt das, die Schminke abfärbt? Ja, Schminke färbt halt ab, schwarze Schminke färbt ab. Was bedeutet anmalen, was Neger sein? Und das soll man merken? Ja. Ich erinnere mich, ich hab’ mal eine Werbung aus dem 19. Jahrhunder für Seife gesehen. Da war ein kleines Baby, ein Negerbaby, une das wurde gerade in einen Topf gesteckt, und da stand soap oder irgendwas daneben. Und dann im nächsten Bild wird es gerade rausgeholt und ist weiß. Und da mich so die Voreingenommenheiten, die Menschen im Kopf haben, zum Beispiel über Neger in diesem Fall, sehr beschäftigen, wird das bestimmt ein Teil dieser Inszenierung bleiben, nämlich die Frage im Kopf, die jedes weiße Kind hat: wenn man Neger anfaßt, geht das ab Mutti? Und ich glaube, diese Dinge bleiben, die bleiben bis man ganz alt ist und werden verarbeitet und verdrängt und haben trotzdem sehr viel damit zu tun, wie wir uns zu Negern verhalten. Das fängt als Spaß an. Wenn ich mir denke, ich war’ Schauspieler und ich will jetzt einen Neger spielen, dann ist der erste Spaß, den ich als Schauspieler habe, der, mich schwarz anzumalen, das ist überhaupt gar keine Frage. Und damit nun zu spielen und es zu benutzen und zu denken, was das eigentlich bedeutet was bedeutet Anmalen, was bedeutet Neger sein, was ist ein schwarzer Mann zum Beispiel, was ist dieser böse schwarze Mann? Das sind alles Gedanken, mit denen wir alle, die am » Othello« arbeiten, jetzt seit Monaten leben, die uns zu solch absurden Dingen bringen, daß zum Beispiel der Neger irgendwann sich eine schwarze Maske aufs et zt, um sich zu verstecken so eine schwarze Karnevalsmaske, bitte fragen Sie mich nicht, was es bedeutet, ich weiß es nämlich auch nicht, es stimmt nur in der Situation. In den Arbeiten anderer Regisseure ich nenne jetzt noch mal Noelte und Stein spür’ ich immer so ein gr ojies Bedürfnis nach Schönheit, eigentlich sogar ein Bedürfnis