Битеф

Zusammenlebens in einem Land, das mehr als einmal in seiner Geschichte einer Zerreißprobe unterworfen wurde; Die beiden Spanien, das traditionsverhaftete und das fortschrittliche, ließen Salvador Távora und seine Gruppe La Cuadra (Der Stall) aus Sevilla in dem Stuck Piel de toro (Stierhaut) beim Theater der Welt in der Arena des Zeltes im Grüneburg-park gegeneinander antreten. Mit den Fachkenntnissen des Stierkämpfers, der er selbst war, und mit der Sensibilität des Andalusiers den Mythen des eigenen Volkes gegenüber hat Távora ein den Gesetzen der Lidia unerbittlich folgendes Ritual grausamschöner Bilder erfunden. Die Idee, so einfach wie genial, könnte zu plakativen szenischen Kurzschlüssen verführen: der Torero als brutaler Macho-Machtmensch, der Stier als die geschundene Kreatur des einfachen Landbewohners. So bequem, hat es sich Távora denn doch nicht gemacht. Er wechselt ständig den Blickpunkt, läßt Torero und Stier die Rollen tauschen, tritt selbst im Tercio de banderillas auf: Wenn

ich den Ausgang suche, durchstechen sie mir die Seite, und ich blute durch die Wunden, singt er dann mit ersterbender Stimme. An dieser Stelle des Stückes habe Távora einen leibhaftigen Stier auftreten lassen wollen, um den Zaschauern einen Schock zu versetzen, bekennt der Theatermann. Da er aber einerseits nicht mit dem Tier wie mit einem Zirkusschaustück durch die Lande reisen und sich andererseits nicht von dem Toro 'den Rhythmus seiner Inszenierung aufzwingen lassen wollte, verzichtete er darauf. Wenn er aber nun, das Stierhorn in den Händen, selbst im Sand kniet, wenn das Licht allmählich verlischt, wird das zum unvergeßlichen Angelpunkt des Stückes. Den Rhythmus bestimmt der Pasodoble. Zunächst sind es berühmte Exemplare dieses Genres, sämtlich aus der Zeit vor 1936. Dann beginnt der - mit Manuela Rodriguez eindrucksvoll choreographierte - Kampf des weißen Engels mit dem Dämon: Das Gute zwingt das Böse mit dem Feuer nieder. Aus der Asche taucht, zunächst schemenhaft, dann immer

deutlicher eine Maschine auf: Ein Gabelstapler fährt in das Rund, auf den Hörnern ein Uniformierter, in das gespenstische Licht einer Art Kasernenlaterne gataucht. Die Kriegsmaschinerie des einen Spanien zwingt das andere Spanien in die Knie. Die Pasodobles verwandeln sich in brutale Militärmärsche, die urtümliche „fiesta de toros” wird zum verordneten spektakel. Das ist ganz eindeutig politisch zu sehen, aber es geht Távora auch um etwas anderes: Die reine Kunst des Stierkampfs ist in Verruf geraten. Sein Stück läßt sich so auch als Plädoyer für die Ideale eines die alten Mythen wahrenden Kampfes zwischen Mensch und Tier deuten. Die spanische freie Theaterszene, die mittlerweile auf ein wenig staatliche Unterstützung rechnen kann - ohne sie ware das neueste Cuadra - Stück kaum herausgekommen -, war bei Theater der Welt mit den Gästen aus Sevilla würdig vertreten. Das läßt sich nicht unbedingt von der zweiten Gruppe behaupten, die von der anderen Seite der Pyrenäen kam. El Tricicle. drei Pantomimen aus

Barcelona (Carlos Sans, Joan Torba, Paco Mir), hatten im Theater am Turm nichts weiter zu bieten als eine etwas mehr als einstündige Persiflage auf die Widrigkeiten einer Flugreise: gut gespielt, aber belanglos. Auch das war Theater der Welt.