Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen : Voyslav M. Yovanovitch, 'La Guzla' de Prosper Mérimée, Étude d'histoire romantique.

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Beurteilungen und kurze Anzeigen

Voyslav M. Yovanovitch, Docteur de l’Université de Grenoble, ‘La Guzla’ de Prosper Mérimée, Étude d’histoire romantique. Préface de M. Augustin Filon. Paris, Librairie Hachette et C ie , 1911. XVI, 566 S. gr. B°. Frs. 12. Es ist bekannt, dafs, nachdem Mérimée sich als dekolletierte spanische Komödiantin mit dem Théâtre de Clara Gaxul (1825) einen Scherz à la Chatterton oder Macpherson erlaubt hatte, er zwei Jahre später mit einer ähnlichen Mystifikation, mit den unter dem Titel La Guxla vereinigten illyrischen Volksdichtungen, die angeblich in Dalmatien, Bosnien, Kroatien und der Herzegowina gesammelt sein sollten, ein gröfseres literarisches Pubhkum zum besten hatte. Über die Entstehungsgeschichte des Bändchens gibt Mérimée in der Vorrede zur zweiten Auflage (1840) Auskunft. Er hätte mit seinem Freunde Ampère eine Reise durch Europa machen wollen à la recherche de la couleur locale. Da ihnen dazu aber nichts weiter fehlte als das Geld, so hätte er den Vorschlag gemacht, den Reisebericht im voraus zu veröffentlichen, um nachher an Ort und Stelle zu sehen, ob die Beschreibung auch zutreffend sei. Zu seiner Vorbereitung hätte er die ‘Reise in Dalmatien’ von Fortis und eine ziemlich gute Statistik der alten illyrischen Provinzen von einem Bureauchef im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten gelesen, dann hätte er sich fünf oder sechs slawische Wörter angeeignet und innerhalb vierzehn Tagen die Balladensammlung niedergeschrieben. Er erwähnt weiter, dafs nach der Veröffentlichung der Guxla M. Bowring, ‘auteur d’une anthologie slave’, ihn um die Originalverse gebeten, M. Gerhart (1. Gerhard), ‘conseiller et docteur quelque part en.Allemagne’, seinen beiden dicken Bänden slawischer Poesie auch eine Übersetzung der Guida beigefügt hätte, und zwar ebenfalls in Versen, was ihm leicht gewesen wäre, wie er in der Vorrede sagte, weil ihm hinter der Prosa der Guxla der illyrische Originalvers erklungen wäre, und endlich hätte auch Puschkin einige Balladen ins Russische übertragen. Das alles führt Mérimée an, um zu zeigen, wie gewaltig der Erfolg der Mystifikation gewesen ist. Auch Goethe nat von der Guxla Kenntnis genommen. Am 10. Oktober 1827 steht in seinem Tagebuch: ‘Abends Guxla gelesen und betrachtet.’ Im 2. Heft des VI. Bandes von Über Kunst und Altertum (1828) S. 326—329 zeigt dann Goethe die Guxla an und sagt u. a.: ‘Wir wurden aufmerksam, dafs in dem Wort Guxla der Name Gaxul verborgen liegt, und jene verkappte spanische schauspielerische Zigeunerin kam uns in die Gedanken, die uns vor einiger Zeit so liebenswürdig zum besten hatte. Auch blieben deshalb angestellte Nachforschungen nicht unbelohnt usw. Herr Mérimée wird es uns also nicht verargen, wenn wir ihn als den Verfasser des Theaters der Clara Gaxul und der Guxla hiermit erklären usw. ( Goethes s. W., Cotta, Bd. 28, S. 60). Danach galt als ausgemacht, dafs Goethe als erster die Eulenspiegelei Mérimées durchschaut und entschleiert habe. Nun erzählt uns A. Filon in seinem Buche Mérimée et ses amis, dafs Albert Stapfer eine Übersetzung des Goetheschen Artikels an Mérimée schickte, und dafs dieser ihm in einem Briefe vom 11. Dezember 1828 dafür dankt. Dabei sagt er: Ce qui diminue son mérite à deriner l'auteur de la Guxla, c’est que je lui en ai adressé un exemplaire, avec signature et paraphe, par un Russe qui passait par Weimar. Il s’est donné les gants de la découverte afin de paraître plus malin (p. 40). Im Anschlufs hieran macht Filon über Goethe die Bemerkung: Mérimée lui retire impitoyablement cette gloire (der Enthüllung), et de façon à rendre quelque peu ridicule le Jupiter de la poésie allemande.