Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen : Voyslav M. Yovanovitch, 'La Guzla' de Prosper Mérimée, Étude d'histoire romantique.

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Die befremdliche Bemerkung Mérimées und der ärgerliche Hohn Filons veranlagten mich, während meines Aufenthalts in Weimar am vorletzten Shakespearetag im Goethe-Nationalmuseum nach dem Bändchen zu forschen. Es war nicht gleich zu finden, aber der dortige Assistent, Herr Dr. Hans-Thimoteus Kroeber, der mir bereitwilligst geholfen hatte zu suchen, teilte mir schon nach zwei Tagen mit, dafs cs ihm geglückt sei, des Bändchens habhaft zu werden, und dafs darin die Widmung stehe: A son Excellence Monsieur le comte de Goethe, Hommage de l'auteur du théâtre de Clara Gaxul. Paris août 27 1827. So angeregt, beschäftigte ich mich weiter mit der Guxla, las im Juli vorigen Jahres in Paris die erste Ausgabe, erkannte leicht nach der Lektüre des Fortis in diesem Werke die Hauptquelle für den Kommentar Mérimées und seiner angeblichen persönlichen Erlebnisse. Ein kleiner Artikel lag bereits bei der Redaktion des Archivs druckbereit, ein gröfserer war in Vorbereitung da ging mir das oben angezeigte Riesenbuch zu. Ich sah bald, dafs mit ihm meine Arbeit überflüssig geworden war, und ich will gleich von vornherein bemerken, dafs mit dieser wissenschaftlichen Leistung die Akten über die Guxla eigentlich geschlossen werden können. Der Verfasser ist ein Serbe, der eine Reihe von Jahren in Frankreich dem Studium seines Gegenstandes gewidmet hat und mit der gröfsten Umsicht und einem wahren Bienenfleifse die gesamte westeuropäische wie auch die slawische Literatur mit dem einen Ziel durchforscht hat, dem vielbesprochenen Kinde der Mériméeschen Muse und Laune etwa nach Taineschen Gesichtspunkten Platz und Rolle in der Geschichte der europäischen Literatur zuzuweisen. Yovanovitch gliedert seine Arbeit in drei Teile. Der erste behandelt den Ursprung der Guxla. Es werden die serbisch - französischen Beziehungen bis zum Mittelalter hinauf verfolgt und alle echt- oder pseudoserbischen Stoffe und Motive, die in die französische Literatur übergegangen sind, historisch-kritisch beleuchtet. Das zweite Kapitel ist eine wertvolle Monographie der Volksballade vor der Guxla. das dritte Kapitel zeigt uns, in welcher Schule Mérimée für diese Mystifikation vorgebildet worden ist. Der zweite Teil des Werkes beschäftigt sich in allen Einzelheiten mit den Quellen und der Entwicklungsgeschichte der Guxla, der dritte Teil schildert uns ihr Geschick in Frankreich, Deutschland, England und in slawischen Ländern. So hat sich die Arbeit wirklich zu,dem ausgewachsen, was der Verfasser in einem Untertitel verspricht: Etude d’histoire romantique, und er hält, was er in dem Vorwort ankündigt: Nous avons voulu faire œuvre utile à la fois pour les mériméistes, pour les slavicisanls, pour ceux qui se sont adonnés à l’étude du romantisme, pour ceux enfin qui font de Goethe leur poète favori. Der Wert der Arbeit, die dem Verfasser die Doktorwürde der Universität Grenoble eingetragen hat, rechtfertigt es gewifs, dafs wir noch etwas näher auf sie eingehen und durch Herausheben ihrer wesentlichsten Ergebnisse zur Lektüre des Werkes selbst anregen. Wer immer mit der in Betracht kommenden Zeit und mit einem in dieses Gebiet fallenden Stoffe sich beschäftigen will, wird an ihm nicht vorübergehen können. Wir beschränken uns hier auf den Teil der Arbeit, der unmittelbar die Guxla betrifft, und können dabei eine kleine Ausstellung nicht unterdrücken: eine strenger durchgeführte Ökonomie hätte im Interesse des Buches gelegen. Wohl versteht man nach der Disposition die Absicht des Verfassers, jedem Kapitel eine gewisse Selbständigkeit, Abrundung und Vollständigkeit zu geben. Anderseits ergab sich daraus der Nachteil, dafs die interessantesten Ergebnisse und Dokumente vielfach wiederholt, zitiert und in Verweisungen nach vorwärts und nach rückwärts ungezählte Male neu auftreten. Dabei ist man oft in Verlegenheit, weil der Verfasser, ganz