Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

102 “Klippen des Glüfs.

er nahm es dankbar an, daß Storting aus ſeinem Kleider= \chaß einen nicht gerade hocheleganten, aber ſehr anſtän= digen Anzug zuſammenſtellte und mit wahrer Wonne warf er Pechmayer?s alten, langſchwänzigen Leibro> ab. Während er ſich umkleidete, beobachtete ihn Storting. : „Sie bieten mix ein unbegreifliches Räthſel, Herr Kanz didat,” ſagte Storting, den ſi<h Umkleidenden verwundert anz ſchauend. „Sie tragen Leibiwäſche von der feinſten, theuer= Fen Leinwand, ein der neueſten Mode entſprechendes hoch= elegantes Oberhemd, während Jhr übriger Anzug ſo un= glaubli<h vernachläſſigt iſt. J< verſtehe dieſen mertivür= digen Widerſpruch niht! Aber ſehen Sie uur, mein Ro paßt Jhnen, als ob er vom Schneider für Sie gemacht worden wäre. Wahrhaftig, man erkennt Sie kaum wieder, ſeit Sie den abſcheulichen Frak los find.”

Egon betrachtete ſich mit Vergnügen im Spiegel! Ex hätte nie geglaubt, daß er ſi darüber, anſtändig gekleidet zu ſein, freuen könne. Es war doh eine ſeltſame Ver= änderung mit ſeinem Denken und Fühlen vorgegangen, daß ex ein wirkliches Vergnügen über einen geborgtient Ro empfinden konnte, und daß er unwillkürlich daran dachte, ob ihn Fräulein Lieschen auch jeßt no< abſcheulich, lächerlich, häßlich finden und ihn mit einer Vogelſcheuche vergleichen werde.

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Herr v. Oſternau liebte es nicht, ſih mit ſtrengen ariſtokratiſchen Formen zu umgeben, er lebte als ſ{<lichter Landwirth, mit den Dienſtboten und Tagelöhnern vex-