Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Novelle von Fedor v. Zobeltit 113

nicht zuſammengetroffen ſind?“ fragte Plettow; „nah meiner Bere<nung müſſen wix zur gleichen Zeit in der Hauptſtadt geweſen ſein. Oder irre ih mich?“

„Mir ſcheint's faſt,“ entgegnete Deern ſachend und blies wohlgefällig die Ringel ſeiner Cigarre in die gluth= gitternde Luft. „Als Du auf der Krieg8afademie in die Geheimniſſe der Taftif und Fortifikation eingeweiht wur= deſt, beſuchte ih die Mönche am Fuße des Sinai, und als i< dann zurü>fehrte nah den Ufern der Spree und der Panke, weilteſt Du ſchon wieder in Breslau beim Negimente. Das Schi>fſal wollte es niht, daß wir uns fanden. Seltſamer erſcheint mix der Umſtand, daß ih Dich beim Einſchiffen in Palermo niht geſehen, Du mußt ivie eine Waſſerratte dur die Planken des Schiſſes in die Kabine gefrochen ſein.“

„Nicht ganz, Alterchen, aber beinahe! Der Anblick des Waſſers hatte bereits meine Frau ſeekrank gemacht, und da mußte ih unten bleiben —“

Plettow fonnte nicht weiter ſprechen. Sein Gegen= über war aufgeſprungen, ſo daß der Americain mit dröh= nendem Schwunge auf= und niederſchaufelte und dex ſ<lafende Engliſhman mühſam das rechte Auge öfſnete, um dem Urheber des ſtörenden Geräuſches einen ent= rüſteten Blick zuzuwerfen.

„Unglüfſeliger — Du biſt verheirathet?“ rief Deckern mit fomiſchem Pathos und faßte die Schultern des Freun=des. „O — nun ahnt mix Alles! Dy befindeſt Dich auf der Hochzeitsreiſe, Jhr habt in Sicilien die Tlitter= wochen verlebt und wollt nun langſam zurü> nah der

Bibliothek. Jahrg. 1884. Bd. I. 8