Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

132 Auf der Hochzeitsreiſe.

genannt werden mußte. Bie Alle, die thn kennen lernten, bin auh ih nie aus dieſem Manne klug geworden! Lag es daran, daß ex wie aus Widerſprüchen zuſammengeſeßt erſchien, oder daß er ſich geſliſſentlih bemühte, eine Masïe zu tragen, daß er ſich heute als Philoſoph, morgen als Séhwärmex und übermorgen wieder als kraſſer Matexrialiſt gerirte, ih weiß es niht! J< habe Schoddyn genau kennen gelernt, ih fann befunden, daß ev ein Mann vou tiefem Wiſſen iſt, aber in ſeine Seele, ſein Herz zu ſchauen, iſt mix nie vergönnt geweſen. Für einen guten Charakter habe ich den Grafen ebenſowenig gehalten, wie für einen abſolut ſ{<hlechten. Meiner Ueberzeugung nach iſt der lei= tende Grundzug ſeines Weſens ein ſtarker Egoismus, und doh ſind mix wieder Handlungen von ihm bekannt, die nux ein wahrhaft ſelbſtloſer Menſch begehen fann!

Graf Schoddyn attachirte ſi ſehr bald und ſehx eng an mich. Er wohnte, ſeit ex den Kammerherrendienſt am W. ſchen Hofe quittirt, gänzlich in Bexlin und kannte die ſuſtige Hauptſtadt des neuen deutſchen Reiches auf das Beſte. Das elegante Leben, das er führte und in das er auh mich hineinziehen wollte, war mix zur Zeit zwar nichts weniger als genehm, denno< Hätte ih vielleicht größere Sympathien für den Grafen empfunden, wäre der Einfluß, den er auf Carla Doning und ihre Mutter aus= zuüben verſtand, ein anderer geweſen.

J< liebte Carla, und ih wußte — ja, ih wußte es, Alfred — ih wurde wiedergeliebt! Jeder Blick ihrer Augen ſagte es mir, wenn ihr Mund auch ſchwieg. Jh liebte ſie fo innig, ſo hingebend, wie man nur lieben fann,