Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Novelle von Fedor v. Zobeltit. 141

Im Leſezimmer ſaß nux ein einziger Herr, Baron Detern. Er hatte ſeinen Stuhl dicht -vor den Kamin gerü>tt und die Füße gegen das Gitterwerk deſſelben geſtemmt. Jn den Händen hielt er das Nieſenformat der „Gazzetta d’Jta= lia“, aber die ſtürmiſchen Verhandlungen im römiſchen Paxlament ſchienen ihn wenig zu intereſſiren, denn ſein Auge ſtarrte über den Rand der Zeitung hinweg gerade in die Flammen hinein, -

Er Hörté nicht, daß hinter ihm ein Schritt auf dem Zeppich klang, aber ex zu>te wie unter der Berührung eines eleftriſhen Stromes zuſammen, als fi< eine kleine Hand auf ſeine Schulter legte.

„Gnädige Frau —“

Detern war aufgeſprungen, und jeßt, wo die Gluth des Kaminfeuers nicht mehr ſein Antliß beſtrahlte, fonnte man deutlich ſehen, wie blei<h es war. Der ſich ſtark in den Falten um Mund und Augen markirende Zug von

tattigfeit gab dieſem entſchieden häßlichen und dabei doh anziehenden Geſicht etwas Wehmüthiges.

Auch die vor ihm ſtehende kleine Frau in dem unbewußt foketten Morgenkoſtüm aus dunkelbraunem Sammt ſah bei Weitem nicht mehr ſo friſ< und roſig aus, wie no< vor wenigen Wochen. Das helle Kolorit ihrer Wangen ivar gewichen, die langbewimperten Augenlider zu>ten nervös, und die vollen Lippen, die ſo glü&li<h und ſorglos lächeln fonuten, waren feſt und herbe geſchloſſen.

Erna ergriff die Rechte De>ern's und preßte fie warm in der ihren.

„Seien Sie mix niht böſe, Baron,“ jagte fie haſtig,