Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

Roman von Adolph Strecfuß. 61

„Bis zum 6. haben wir dem Kandidaten Zeit gegeben, heute fofl er anfommen.“

„Dann wird er jedenfalls im Laufe des Tages eintreffen. “

„I< wünſchte, er fäme ni<t! Das wäre eine gute Gelegenheit, ihn wied.x los zu werden. Jh geſtehe Dix, ih fann mi< no< immer niht mit Deiner Jdee, einen nformator anzunehmen, befreunden. Wir hätten beſſer gethan, für unſer Fribchen eine Erzieherin zu engagiren; eine feingebildete junge Dame aus guter Familie iſ eine angenehme Hausgenoſſin; für ein paar Jahre würde ſie Frißchen den erſten Unterricht ſehr gut gegeben haben, und außerdem wäre es für unſer wildes Lieëchen gewiß ſehr heilſam geweſen, unter eine ſtrengere weibliche Zucht zu fommen, als Du ſie ausübſt.“

„Glaubſt Du, daß Lieschen jezt noh ſi einer ſolchen Zucht gebeugt haben würde? Du weißt, ih habe ſelbſt zuerſt an eine Erzieherin für Frißchen gedacht; aber die Erfahrungen, die wix mit den Gouvernanten Lieëchen!s gemacht haben, waren zu abſchre>end, als daß ih Luſt ge= habt hätte, fie no< einmal zu machen. Wenn Lieschen als Kind alle ihre Gouvernanten zur Verzweiflung gebracht hat, ſo würde ſie jet mit ſiebenzehn Jahren ſich ficherlich nicht fügen. Sie iſt zu wild, zu unbändig. Nein, nein, es iſt ſhon beſſer ſo, wie wix es jeht beſchloſſen haben : und damit auch in anderer Beziehung wegen Lieschen's Ver= fehr mit dem zu exwaxtenden Kandidaten feinerlei Be= denken ſi< geltend machen fönnen, ſo habe i<h den Direktor Kramfer gebeten, mix einen jungen Mann zu empfehlen, der womöglich recht häßlich ſein ſoll.“