Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

64 Klippen des Glüs.

„Ex ſieht wirklich faſt zu häßlich aus!“ erwiederte Frau v. Oſternau etwas fleinlaut; ſie fühlte ein leiſes Bedauern darüber, daß ſie in ihrem Brief an den Direktor die Forderung der Häßlichkeit wohl gar zu ſtark betont hatte.

Der Wanderer kam näher, jeut tonnte ſie mit threm ſcharfen Auge ſchou ſeine Geſichtszüge ertennemn, ſie entz ſprachen nicht ganz dem Eindru>, den ſeine Geſtalt auf fie gemacht hatte. Schön wax der junge Mann aller= dings nicht, die Naſe war zu groß, der von einem ſ{war= zen Schnurrbart überſchattete Mund zu voll, die Geſicht#= farbe war zu bleich, als daß dies Geſicht einen Anſpruch auf Schönheit hätte machen können, wohl aber konnten es die großen dunkeln Augen, die beobachtend na< allen Sei= ten hin ſich richteten, und als nun der junge Mann immer näher kam, als er jeßt, nur wenige Schritte vom Schloß entfernt, Herrn und Frau v. Oſternau am Fenſter bez merfte und grüßend den Hut zog, da ividerſprach die ruhige, vornehme Art des Grußes ſo ganz und gar dem Eindru> der fonderbaren Erſcheinung, daß Frau v. Oſternau niht mehr wußte, was ſie denten follte. Der vom Hut ent blößte Kopf des jungen Mannes erſchien ihr niht mehr abſchre>end häßlich, ex hatte ſogar dur die dunkeln Feuer= augen etwas eigenthümlich Fntereſſantes.

Herx v. Oſternau hatte von dem jungen Mann einen ganz ähnlichen Eindru> erhalten, wie ſeine Gattin.

„Eine ſonderbare Erſcheinung!“ ſagte ex, als der Wan=dexer durch den Cintritt in das Schloß ſeinen Augen ent=zogen war. „Jh bin wirklich neugierig auf den Menſchen.“