Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.

70 : Klippen des Glüds.

„Lieschen? — Jh glaubte nux zum Unterricht eines Knaben berufen zu ſein?“

„Allerdings, aber da Herr Direktor Kramſer meiner Frau ſchrieb, Sie feien ſehx muſikaliſch, glaubten wir, Sie könnten vielleicht auh meiner Tochter Lieschen einige Stunden wöchentlich ertheilen. Jh bin bereit, Fhnen dieſe Stunden beſonders zu honoriren.“

„Davon kann gar keine Rede ſein. Sie haben mi< vom Religionsunterriht entbunden, dafür werde ih gern einige Muſikſtunden mehr geben.“

„Sie ſpielen, wie mir Herr Direktor Kramſer ſchreibt, ſehr gut Klavier und haben eine ſ{<öne Stimme,“ bemerfte Frau v. Oſternau, welche bisher die Unterhaltung zwar mit großer Theilnahme verfolgt, aber niht an derſelben Theil genommen hatte.

„Man ſagt es.“

„Herr Direktor Kramſer hat es mir geſchrieben !“ er= wiederte Frau v. Oſternau in einem ſchärferen Tone, als ſie ſonſt anzuwenden pflegte, ſie fühlte ſich verleßt dur die furze, wenig Achtung vor dem Herrn Direktor verz rathende Antwort des jungen Lehrers. „Es ſollte mix ſeid thun, wenn Herr Direktor Kramſer in dieſer Be= ziehung Zhr Talent und Jhre Fähigkeiten überſchäßt hätte, da ich bei dem Engagement eines Hauslehrers gerade auf deſſen muſikaliſhe Ausbildung ein befondeves Gewicht gelegt habe; nicht nux, weil ih wünſchte, daß Lieschen noch einige Muſikſtunden erhalte, fondern hauptſähli<h Fribchens wegen. Es iſt mix wichtig, daß der erſte Muſikunterricht des Kindes von einem tüchtigen Lehrer geleitet werde; jede