Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

Hiſtoriſche Novelle von Hauns v. Spielberg. 123

„Zh ſtieg alſo die Treppe hinauf und fam óben n einen langen Korridor, den ein einziges fſeines Fenſter am jenſeitigen Ende nur matt erhellte. Es war hier oben tiefe Stille, nux gedämpſt tönte ab und zu der Lärm aus den Kelſergewölben herauf, in denen die Burſchen des Piraten Schäve zuſammenrafſten. Da plöblih höre ih aus nächſter Nähe einen gellenden Hilferuf, wie aus Frauenmunde, dem gleich ein zweiter folgt. J< will die nächſte Thüre öffnen, ſie iſt verſchloſſen, ebenſo die an-= ſtoßende. Und wieder tönt ein greller Schmerzens\<rei, und, denkt Euch, Hadwig, ih erfenne eine Weiberſtimme, die in deutſchen — in deutſchen Lauten um Erbarmen ſleht. Mit aller Kraft renne ich gegen die ſchwere eichene Thüre an, den Schmerz meiner Wunde nicht achtend, ſie widerſteht meinen Anſtrengungen; ich reiße den Dolch aus dem Gürtel, breche die Riegel mit Gewalt und ſtürme in das Zimmer — Hadwig, und wenn ich hundert Jahre [eben ſollte, ih würde den Anbli> nicht vergeſſen, der mix das Blut in meinen Adern erſtarren ließ. Jn einem weiten, ſ{hönen Raum, den eben der ſ<hwindende Strahl der Abendſonne erleuchtete, ſtand faſt in dex Mitte ein breites, mächtiges Bett mit buntfarbenen Kiſſen, und auf ihnen lag ein Weib in blendender Jugendſchöne, die zarten Glieder gefnebelt, die Bruſt mit Blut übex= ſtrömt, die Augen halb gebrochen! — Und dieſes Weib, Hadwig, daß ich's Euch ſage, damit Jhr ermeſſen fönnt, vas i< bei Eurem Anbli> fühle, gli Euh — wie eine Roſenknospe der anderen von demſelben Strauche !“

Das junge Mädchen erglühte wie im Fieber.