Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

“Hiſtoriſche Novelle von Hanns v. Spielberg, 145

an ſie ritete, wenn er thr zufällig allein begegnete, aber es hatte dabei eine ſo heftige Erregung in dem Lon ſeiner Stimme gelegen, daß ſie am liebſten ſcheu geflohen wäre, anſtatt thm Rede und Antwort zu ſtehen. Wohl nannte ſie ſi ſelbſt hundertmal kindiſh und griff nah dex Ex= tlärung, daß der Komthur hier in der Niederlaſſung unmöglich die ſtrenge Abgeſchloſſenheit des Ordenshauſes bewahren fönne, daß ſeine Erregung ſicher die Folge ſeines franthaften Befindens ſei, von dem der Vater ihr genug erzuhlt hatte, aber gegen alle Gründe des Verſtandes empdrte ſi<h immer wieder thx inſtinktives Gefühl. Es wax keine Abneigung, feine eigentliche Fur<ht vor dem Ritter, es war mehr eine mit Mitleid gemiſchte Scheu, die ſie erfüllte. Jhr Mädchenherz ließ ſie ahnen, daß in der Seele dieſes Mannes ein Geheimniß ruhte, das der weiße Ordensmantel wohl vor den Augen der Welt verz hüllen, das aber auch die ſtrengſte geiſtliche Disziplin nicht in ſeinen Nachwirkungen ertddten fonnte, und je länger deſto mehr fühlte ſie, daß thr Anbli die vielleicht ſchon faſt erſtorbenen Regungen eines Herzens wieder erwe>t habe, das ein unlösliches Gelübde der Welt verſchloſſen hatte. Hadwig fonnte und mochte ihrem Vater, dex von dex Laſt ſeiner Thätigkeit und den Sorgen des Tages faſt erdrüct war, niht das Herz mit ihren Gedanken no< ſchwerer machen; ſo ſ{<loß fie dieſelben denn in thr &nneres ein und verſuchte nux, dem Komthux ſo viel ivie mögli<h aus dem Wege zu gehen und jede Begegnung mit ihm zu vermeiden.

Es war am Abend des fünſten Lages nah dem Ein=

Bibliothek. Jahrg. 1884, Bd, IV, 10