Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 5.

158 S Wandlungen.

Der Direktor und die Lehrer, welche mir ſämmtli< wohl wollten, hatten unter den angeſehenſten Leuten der Stadt für mich gewirkt, ſo daß mir für jedes Studienjahr eine Unterſtüßung von einhundert Thalern zugeſichert wer= den fonnte. J< war erſt wenig über ſe<zehn Jahre alt, und einhundert Thaler erſchienen mir no< als ein großes Vermögen. Obſchon ih aber faſt ſämmtliche Collegia frei oder geſtundet bekam, habe i<h do< unſägliche Mühe und Noth gehabt, mich dur<zuſ<lagen und dur< Ertheilung von Unterricht, dux< Ueberſezung wiſſenſchaftlicher Abhand= lungen u. |. w. mix die Mittel zum Unterhalte zu verſchaffen.

Daß ih nah vollendetem Studium alsbald mein Doktor= examen machen konnte, verdankte ih ganz allein der nim= mer endenden, aufopferungsvollen Liebe und Zärtlichkeit meinex Pflegemutter; denn während meiner Studienzeit war ihr Vater geſtorben und ihr dadurch ein kleines Kapital zugefallen, welches fie unter allen Entbehrungen ſo feſt hielt, daß auh niht ein Groſchen davon zu einem anderen Zwecke verwendet wurde.

Ein junger livländiſcher Baron, deſſen Bekanntſchaſt ih gemacht hatte, nahm mich ſofort als Arzt auf ſeine Güter mit. Zwei Jahre ſpäter wurde er „auf der Jagd durch Fahrläſſigkeit erſchoſſen. Jh kehrte nun in die Heimath, froher Hoffnungen voll, zurü>. Jh hatte mix eine fleine Summe Geldes erſpart und hoffte, mi<h mit Hilfe derſelben an irgend einer Univerſität habilitiren zu fönnen. Es ſollte anders kommen! Der Reiſekoffer, in den ih meine Bücher und Jnſtrumente, mein Geld und meine übrige Habe verpa>t hatte, wurde mir unterwegs geſtohlen.