Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Von Georg Jachmann. 215
Freundſchaft. Richelieu begann ſich lebhaft für Chapelain zu intereſſiren, und ein Nachkomme des tapferen Dunois, der Herzog v. Longueville, trug ihm gegen ein großes Jahrgehalt die Abfaſſung eines Epos übex die Jungfrau von Qrleans auf. Dadur< war es Chapelain mögli gemacht, ſeine ſubalterne Stellung aufzugeben und fih auf eigene Füße zu ſtellen. Es gelang ſeinem kritiſchen Talente bald, ſich eine ſo diftatoriſche Stellung in dex franzöſiſchen Literatur zu erobern, daß die zeitgenöſſi= ſchen Dichter ehrerbietig auf die Worte des kleinen Lite= raturtyrannen lauſchten, und der berühmte Balzac den „weiſen und gelehrten“ Herrn Chapelain als das Orakel der Kritif und des Wiſſens pries. Mit ſeinem wachſenden Anſehen ſtieg au< ſein Selbſtbewußtſein und, wie das ſo oft zu geſchehen pflegt, re<nete Chapelain die Ovationen, die er ſeinem Talent verdankte, der Macht ſeiner eigenen Perſönlichkeit zu.
Die gefeiertſte Dame in dieſen Kreiſen wax Julie, die älteſte Tochter der Marquiſe v. Rambouillet. Die junge Marquiſe war eine ſehr fein angelegte Natur, ausgeſtattet ebenſo ſehr mit geiſtigen Anlagen, wie mit den Vorzügen jugendlicher Schönheit, und es war ganz natürlich, daß ſich um ſie wie um eine Königin ein großer Verehrertreis bildete. Julie ſchien jedo< blind gegen alle Huldigungen zu ſein und wies oſtentativ jede Annäherung an ihre Per= ſon, die den Charafter einer Werbung um ihre Hand zu tragen ſchien, zurü>. Dagegen verkehrte ſie mit beſonderer Vorliebe mit den literariſchen Kapazitäten, die ihren Sammelplaß in dem Palais ihrer Mutter fanden, und ſie