Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
216 Die Squle des Geizes.
geſtattete ſi<h ihnen gegenüber eine um fo größere Ver= trauli<hkeit, je weniger fie von dieſer Seite aus ernſtliche Abſichten um ihre Hand fürchten zu müſſen glaubte. Eine wahrhaft abſchre>ende Häßlichkeit, mit der die Natur Chaz pelain beladen hatte, prädeſtinirte vor allen Anderen dieſen zum Vertrauten der jungen Marquiſe; aber der eingebildete Dichter, der damals auf der Höhe ſeines Rufes ſtand, war kurzſichtig genug, aus dem zutraulichen Weſen Fuliens auf eine ernſte Herzensneigung zu ſeiner Perſon zu ſchließen. Chapelain hatte ein zu weiches Herz, um die Dame grau= ſam ſ<machten zu laſſen, und es muß einer der drollig=z ſten Momente geweſen ſein, in dem der Dichter, der Gegen= liebe ſeiner Angebeteten na<h ſeiner Meinung vollkomnen ſicher, Julien v. Rambouillet ſeiner Liebe verſicherte. Die junge Marquiſe war über den unerwarteten Heirathsantrag ſo erſtaunt, daß ſie Chapelain, der mit vollem Sieges= bewußtſein vor ihr ſtand, zuerſt ſprachlos anſtarrte und dann mit dem übermüthigen Ausruf: „Jh, Madame Chapelain!“ in ein fo helles Lachen ausbrach, daß der arme Bewerber über den Erfolg ſeiner Liebeserklärung nicht zweifelhaft bleiben konnte. Ex ſ{<hli< ſi<h denn auch eilends davon, ohne es jedo< dadur< vermeiden zu kön= nen, daß Wochen lang halb Paris nux von dem Heirath8= antrag Chapelain's ſprach. Seine Angebetete vermählte ſich ſpäter mit dem Herzoge v. Montauſier, hatte aber Chapelain’s Kühnheit ſo wenig übel aufgenommen , daß ſie bis zum Tode deſſelben mit ihm in freundſchaftlichem Verkehr blieb; für unſeren Dichtex aber hatte dieſe Nieder= lage in der Liebe die gute Folge, daß er in Zukunft