Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Von Georg Jachmann. 219
Geizes wax, ſo ſehr fürchtete man doch in literariſchen Kreiſen ſeine ſcharfſinnige Kritif und maßgebendes Urtheil, und man beeilte ſih, den Mann, dex zivanzig Jahre lang iwie ein unantaſtbarer Richter über alle Geiſteserzeugniſſe des damaligen Frankreich den Stab brechen follte, für die Akademie der Wiſſenſchaften zu gewinnen; Chapelain täuſchte die Hoffnungen, die man auf ihn geſeßt hatte, in der That nicht, ex wurde eines dex hervorragendſten und thätigſten Mitglieder derſelben. Jn demſelben Maße abex,* wie ſeine Würden und Ehren ſtiegen und ſein Einkommen ſich rapide vermehrte, wuchs au< des Dichters Geiz, und je älter ex wurde, mit deſto größerer Schroffheit trat dieſex Charafterzug an ihm hervor. Fn der Afademie war es Brauch, daß der jedesmalige Dixektox derſelben, wenn ein Afademikexr ſtarb, aus ſeinen Privatmitteln 500 Francs für das Begräbniß auswarf, und dies war Grund genug, um Chapelain gegen die Wahl zum Diz reftor ſich ſtets ſträuben zu laſſen. Nur durch eine Liſt wurde der Geizhals während der Kranfheit des Kanzlers Seguier von der Akademie zu dieſem Amte deſignirt, und von da an war es um Chapelain’s Ruhe geſchehen, da er in ſteter Beſorgniß ſ{<hwebte, daß der Kranke vielleicht während ſeiner Amtsdauer ſterben fönnte. Als nun das gefürchtete Ereigniß wirklich eintrat, wax der unglücliche Dichter untröſtlih. Es ſei zu lächexlih geweſen, ex= zählt Menagius, wie Chapelain in ſeiner Verzweiflung um den drohenden Verluſt einer ſo geringen Summe ſi< das Haax ausgerauft und immerfort gejammert hätte: „Mein ganzes Vermögen wird nicht zureichen, ih bin ein