Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Roman von Adolph Sire>fuß. 19
war ſie beſchränkt auf die färgliche Wittwenpenſion von dreihundert Thalern; nux dadurch, daß Fräulein Lieschen Tag und Nacht mit raſtloſem Eifer arbeitete und mit nie ermüdender Energie beſtrebt war, für die gefertigten Sti&ereien einen Abſaß in den großen Modewaarengeſchäf= ten der Stadt zu ſuchen, gelang es ihr überhaupt, das Nothwendigſte zu beſtreiten. Mit wahrer Begeiſterung ſchrieb Frau v. Oſternau über ihre Tochter, die ihr Stolz und ihre einzige Stüße wax, und die neben den anſtrengen= den Arbeiten für die großen Ladengeſchäfte doh no< die Zeit gefunden hat, die Mängel ihrer wiſſenſchaftlichen Auê= bildung dur raſtloſes Studium derart auszugleichen, daß es ihr in dieſem Frühjahr gelungen iſt, das Lehrerinnen= examen glänzend zu. beſtehen und ſich hiedur< die Mög= lichkeit eines reihliheren und leichteren Gelderwerbes zu eröffnen. Den leßten Brief habe ih von Frau v. Oſternau, gleich nachdem Fräulein Lieschen das Examen beſtanden hatte, jeht alſo vox etwa drei bis vier Monaten, erhalten. Sie ſchrieb ſehr glüctlih darüber, ſprach aber zugleich die bange Furcht aus, daß ſie ſi<h wohl bald werde von Fräu= lein Lieschen trennen müſſen, denn dieſe beabſichtige, eine Stelle als Erzieherin anzunehmen, wenn ihr ein ſolches Gehalt geboten werde, daß ſie einen großen Theil deſſelben zur Erhöhung der Einnahme der Mutter verwenden könne. Von dem Vetter Albrecht, ſo ſ{<hrieb Frau v. Oſternau in dieſem Brief, habe ſie nichts wieder direkt, ſondern nux dur Herrn v. Saſtrow gehört. Der Vetter lebe, wenn ex für kurze Zeit fi in dem ſchönen, neuaufgebauten Schloß HOſternau aufhalte, als Einſiedler; ex habe gar feinen Umgang