Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Roman von Adolph Stre>fuß. 47
doh hätle ex es für unmöglich gehalten, daß in vier furzen Jahren eine folche Veränderung mit einem Menſchen vor ſich gehen fönne, wie ihm jezt Albre<ht, der ihm auf dem Altan entgegentrat, zeigte.
Albrecht v. Oſternau war faſt ein alter Mann ge\wor= den, feine Spux von der eleganten, no<h immer den früheren Offizier verrathenden ſtattlichen Haltung war zurückgeblie= ben; {la und nachläſſig, mit vornübergebeugtem Körper bewegte ex ſich mit ſ{wankendem Schritt, dabei hielt ex den Kopf geſenkt, ſein Auge ſuchte den Boden, nur ſelten ſ<lug ex es mit einem matten Blik zu dem auf, mit wel= chem er gerade ſpra<h. Sein Haax war ergraut, auch der blonde Schnurrbart, den ex früher in zwei Spißen ke> emporgedreht trug, der jeßt aber ungepflegt wirr über den Mund herabhing, zeigte ſchon viele graue Haare. Die ge= beugte Geſtalt und die ſ{<lafen Züge boten ein Bild förperlichen und geiſtigen Verfalls.
Ein Gefühl des Mitleids überfam Wangen und bewegte ihn, freundlicher und fogax herzlicher, als es ſonſt wohl geſchehen wäre, den Gaſt zu begrüßen. Ex hatte, wenn ex an die in Schloß Oſternau verlebte Zeit zurüctdachte, nie= mals ein unbequemes Gefühl der Eiferſucht ganz unter= drüden fönnen, jeßt aber, da er Albrecht in dieſem Zuſtande iviederſah, vergaß ex daſſelbe ganz und es erwachte au<h nicht wieder, als Bertha dem Vetter mit reizender Liebens= würdigfeit die große Freude ausſprach, die ex ihr dur ſeinen Beſuch in Linau bereitet habe. Sie reichte ihm niht nux die Hand, ſie bot ihm felb#| den Mund zum Kuß, und doh regte ſi<h in Wangen die alte Eiferſucht