Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

100 Das Drama im Kaiſerſchloß.

“wandte er beſchämt ſein Geſicht ab, ſchritt zum Fenſter, blidte hinaus und ſchwieg wieder Minuten lang, während Sergei die volle Herrſchaft über ſi< zurü> gewann und in regungëloſer Haltung nah dienſtlicher Vorſchrift erz wartete, welches Ende dieſe ihn empörende Scene finden werde.

Endlich ſprach der Kaiſer, ohne das Haupt gegen ihn zu wenden, in befehleriſcher Kürze: „Keine Rapporte mehr bringen! Ohne meinen Befehl betreten Sie das Palais

“niht mehr.“

Ex winkte mit der Hand zum Zeichen, daß der in Ungnade Gefallene entlaſſen ſei. Und während Sergei ſprachlos hinaus wankte, ſtarrte Paul T. wieder auf den Plah hinunter vor ſeinem Palais, wo die Menſchen mit entblößtem Haupt und mit demüthig gebeugtem Rüden vorüber eilten. Die Entſcheidung ſeines despotiſchen Willens war gefallen, Alles mußte ſi derſelben beugen.

2.

Kaiſer Paul beſaß von Natur eine ausgezeihnete Be= gabung, und ſeine Mutter Katharina 11. hatte ihm eine ſorgfältige Erziehung geben laſſen. Als Jüngling gewann er ſich durch ſeine Liebenswürdigkeit, ſeinen Geiſt und Wis, die Großmuth und den Adel ſeiner Empfindungen allgemeine Sympathien. Mit neunzehn Jahren hatte er aus Liebe die Prinzeſſin Wilhelmine von Heſſen geheirathet, aber nur zu furz war das Cheglü>. Schon zweieinhalb“ Jahre nach der Hochzeit ſtarb die ſhöne Großfürſtin im Kind= bett, und ſeitdem wurde der künftige Zar ein anderer