Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

Novelle von Schmidt-Weißenſe&. 101

Menſch. An das unheimliche Gerücht, welches den frühen Tod ſeiner Gemahlin einer Vergiftung zuſchrieb, glaubte er, und das tragiſhe Ende ſeines Vaters, Peter's 1k, den deſſen ehrgeizige Gemahlin Katharina hatte gefangen ſeen laſſen und den ihre Getreuen dann ſ{hmähli< erwürgten, verdüſterte ſein Gemüth um ſo mehr, je älter ex wurde. Ex fürchtete ſeine Mutter, die ex als die Urheberin dieſes Frevels anſah, und ſie haßte ihn als den Sohn des Gemordeten, deſſen Anbli> ihr Gewiſſen an die unſelige That mahnte. Als er ſich zum zweiten Male mit einer württembergiſchen Prinzeſſin vermählt hatte, fand er Jahre lang wohl in der Liebe zu ihr und zu der Schaar von Kindern, die ſie ihm ſchenkte, einigen Troſt; aber immer mehr verbitterte ihn die unwürdige Behandlung, die er von ſeiner Mutter erfuhr. Denn fie verwies ihn na< dem ‘einſamen, falten Gatſchina, entzog ihm ſeine älteſten Söhne, um ſie na< ihrem Sinn zu erziehen und ihm ab= wendig zu machen, und umgab ihn auf Schritt und Tritt mit Spionen. So reifte er zum Manne mit dem Gez danken, ſih einſt als Selbſtherrſcher aller Reußen für Alles zu rächen, was ex unter dem Regiment ſeiner Mutter und ihrer Günſtlinge, Potemkin’s zumal, erduldet und gelitten.

Endlich ſtarb Katharina. Nach ihrem leßten Willen ſollte ihr eigener Sohn Paul nicht auf den Thron gelangen, ſondern deſſen älteſter neunzehnjährigex Sohn Alexander. Kuxz vor ihrem Tode hatte ſie ein kaiſerliches Manifeſt mit dieſer threr ſouveränen Willensbeſtimmung dem Vicefanzler Besborodfo verſiegelt übergeben. Aber