Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

102 Das Drama im Kaiſerſchloß.

ſofort na< ihrem Ableben zog dieſer Vertrauensmann es vox, das verhängnißvolle Aktenſtü>k an Paul auszuliefern, der es kraft ſeines legitimen Erbfolgere<t3s unterdrückte, Ex wurde nun Rußlands neuer Herrſcher, immerhin dur< einen Gewaltſtreich, den er wie unter dem Fluh dex mo= raliſchen Verwilderung ſeines Geſchlechts, gegen ſeinen Sohn führte. Dieſes Schuldgefühl ſeßte fi< in feindſeliges Mißtrauen gegen denſelben um, weil zufällig bei der Er-= öffnung jener Urkunde Katharina’s der zweite Sohn Pauls, Konſtantin „ zugegen war und ſomit der Mitwiſſer des Geheimniſſes wurde. Zwar ſ{loß ihm der Vater dur< einen ihm abgedrungenen Schwur den Mund, aber fortan traute er ihm doh niht und fürchtete, daß von dieſer Seite auh Alexander in das Geheimniß eingeweiht werden würde.

Seitdem war ex niht mehx der zärtliche Gatte, nicht mehr der liebevolle Vater. Sein Mißtrauen verſtärkte ſich mehr und mehr, wie gegen alle Welt, ſo auch gegen ſeine Familie, und zeitweiſe erſchien ex faſt geiſtig geſtört. Ex träumte von nichts als von Verſhwörungen gegen ſeine Perſon und ſein Leben. Bloßer Verdacht, ſeine üble Sul= tan8laune reichten hin, um Verbannung und Kerker über Unſchuldige zu verhängen. Der edle Sinn, der noh im Anfang ſeiner Regierung in ſeinen Handlungen überwog, war unter dem Argwohn und Gelüſt, Schre>en zu ver= breiten, exſti>t worden. Seine Politik charakterifirte nicht minder ſeine Launenhaftigkeit und fſultaniſche Willkür ohne Gleichen. Jn den viereinhalb Jahren, die er nun regierte, hatte ex mit faſt allen europäiſhen Mächten Bündniſſe