Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

Novelle von Schmidt-Weißenſfels. 113

erregte dies Mädchenherz, das no< keine Stürme gekannt, in einer ihr neuen Weiſe zur Entſchloſſenheit. War ſie denn eine ſo elênde Sklavin, daß ſie dem despotiſchen Ge= bot des Zaren willenlos ſi<h unterwerfen mußte? Zum erſten Male erhob ſi< der Stolz in ihr, die Tochter eines Fürſten 1hres tatariſchen Volkes zu ſein. Wohl verdankte ſie Alles, nachdem ſie zur Kriegsbeute geworden, dem ruſ= ſiſchen Kaiſerhoſe. Aber gab dies dem Zaren das Recht über ſie, nah einer Laune ihr Lebensgeſchi> zu geſtalten? Wohl war ſie, wie Jeder in ſeinem Reiche, ſeinem Willen und Spruch vexfallen ; doh ſollte ihr Leben verloren ſein, ſo wollte ſie es niht feige und ohne Kampf dex Gewalt ausliefern.

Sie hatte keine Thränen mehr; Feuer ſprühte dafür aus ihren Augen. Die madonnenhafte Lieblichkeit ihres Antlibes verwandelte ſich in düſtere Energie, dur welche ein wilder Zug ging. Die Roſen ihrer Wangen waren verſ<hwunden, wie das warme Blut aus ihren Lippen und der leuchtende Hauch von ihrer Stirne. Das ganze Geſicht war fahl und ſtarr. Sie war nicht wieder zu ex= kennen, und das Weib, wie es unter der Erziehung und Verfeinerung am nordiſchen Hofe ſeine exotiſchen Reize be= rüd>end entfaltet hatte, gleichſam mit ſeinem Urbild einer Krimtatarin ausgewe<ſelt, die über Rache und Verderben brütet. So ſaß ſie auf einem Stuhl am Fenſter und ſchaute regungslos in den kahlen, ſchneebede>ten Garten hinaus, der nah jener Seite des Schloſſes ſich ausbreitete.

Es flang Trommelſchlag und Pfeifenſpiel an ihre Ohren und ſie ſah eine Abtheilung Truppen dur< den Garten

Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. XIII. 8